Regierung stockt Unterstützung für jüdische Gemeinde auf
Die österreichische Bundesregierung, vertreten durch Kanzler Sebastian Kurz, Vizekanzler Werner Kogler und Ministerin Karoline Edtstadler, hat am Montag gemeinsam mit dem Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Oskar Deutsch, im Rahmen einer Onlineveranstaltung im Wiener Bundeskanzleramt der Novemberpogrome von 1938 gedacht. Zugleich wurde auch das geplante "Gesetz zur Absicherung des österreichisch-jüdischen Kulturerbes" präsentiert, mit dem die finanzielle Unterstützung für die jüdischen Gemeinde in Österreich nachhaltig aufgestockt werden soll.
Die Pogromnacht "markierte eine folgenschwere Wende: aus den Worten wurden Taten, die sich gegen die jüdischen Mitmenschen richteten", sagte Bundeskanzler Kurz laut APA bei dem Gedenken. Aus diesen Taten wurde dann "das größte Menschenverbrechen". Und das Gift des Antisemitismus sei noch immer nicht verschwunden. "Wir müssen darauf achten, nicht stetig neuen Antisemitismus zu importieren durch Menschen, die zu uns kommen", warnte Kurz. Dafür sei in Österreich kein Platz. Nur wer die Würde jedes einzelnen Menschen achte, habe in unsere Gesellschaft Platz. "Gegenüber der Intoleranz darf es keine falsch verstandene Toleranz geben", so der Kanzler.
Die Pogromnacht muss uns "immer eine Mahnung bleiben", sagte Ministerin Edtstadler. "Wir müssen auch acht Jahrzehnte nach dem Ende des dunkelsten Kapitels unseres Landes wachsam bleiben." Vizekanzler Kogler zeigte auf, welche Folgen die "zügellose Gewalt" jener Nacht hatte: Von sechs großen Synagogen und an die Hundert Vereinen und Gebetshäusern sei eine einzige Synagoge übrig geblieben.
Jene Nacht vor 82 Jahren habe gezeigt, dass "dort, wo Hass ist, auch Lebensgefahr ist", so Oskar Deutsch. "Wer Jude war, schwebte plötzlich in Lebensgefahr, weil er Jude war." Auch der jüngste Terroranschlag in Wien zeige, dass Hass Menschenleben in Gefahr bringe. Die jüdische Gemeinde bringe 20 Prozent ihres Budgets für die Sicherheit auf, stellte der IKG-Präsident fest.
"Österreich ist unter Druck"
Derzeit betragen die Sicherheitskosten der Israelitischen Kultusgemeinde demnach 3,7 Millionen Euro, das sind exakt 22 Prozent des Jahresbudgets. Die Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und der IKG Wien bildet für den Präsidenten "die Grundlage für eine nachhaltige Absicherung der einzigartigen jüdischen Einheitsgemeinde". Kanzleramtsministerin Edtstadler meinte zu dem Vorhaben: "Wenn Jüdinnen und Juden in Österreich unter Druck sind, ist Österreich unter Druck."
Vier Millionen Euro sollen deshalb künftig jährlich an die Israelitische Kultusgemeinde gehen. Dies sei mehr als eine Verdreifachung des bisherigen Betrags, hieß es vonseiten des Bundeskanzleramts. Geschuldet seien die Förderungen auch dem erhöhten Schutzbedarf der jüdischen Einrichtungen. Das Gesetz soll noch in dieser Woche im Ministerrat beschlossen werden und geht dann zur Beschlussfassung ans Parlament. Deutsch bedankte sich bei Kurz für dessen ehrliches Einsetzen für die jüdische Gemeinde.
Verstärkt gefördert soll mit der finanziellen Aufstockung nicht nur der Schutz jüdischer Einrichtungen werden. Die Regierung nannte auch die Erhaltung und Pflege des jüdischen Kulturerbes, die Aufrechterhaltung des jüdischen Gemeindelebens in Österreich, den Dialog der Religionen, die Förderung von Projekten für die junge Generation sowie des gesellschaftlichen Austauschs.
Novemberpogrome 1938
In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden im ganzen Deutschen Reich, also auch in Österreich, die Synagogen in Brand gesteckt, jüdische Geschäfte und Wohnungen verwüstet. Allein in Wien wurden im Zuge des Terrors insgesamt 42 Synagogen und Bethäuser zerstört. 6.547 Wiener Juden kamen in Haft, knapp unter 4.000 davon wurden in das Konzentrationslager Dachau verschleppt. Die Nationalsozialisten gaben diesem Tag den euphemistischen Ausdruck "Reichskristallnacht". Mit dem Novemberpogrom radikalisierten sie die Vertreibung und Enteignung der jüdischen Bevölkerung.
Quelle: kathpress