Terroranschlag: Telefonseelsorge verzeichnet deutlich mehr Anrufe
In Krisenzeiten suchen Menschen immer wieder Rat und Beistand bei der Telefonseelsorge unter der Telefonnummer 142. So auch nach dem jüngsten Terroranschlag in der Wiener Innenstadt vom Montagabend. Die Zahl der Anrufe sei seither deutlich gestiegen, berichtet die Leiterin der Telefonseelsorge Wien, Antonia Keßelring, auf Kathpress-Anfrage. "Uns erreichen verstörte Anrufer und viele besorgte Eltern, die Hilfestellungen im Umgang mit den Kindern benötigen", berichtet Keßelring. Ihnen rate sie u.a. zu einem bewussten, zurückhaltenden Medienkonsum und zu einer bewussten Strukturierung des Alltags: "Man sollte Dinge tun, die man sonst auch tut, wie Kochen, den Garten umgraben oder mit seinen Kindern spielen und nicht alles dem Attentat unterordnen", so die Theologin.
Weniger Sinn habe es hingegen alle paar Minuten mit dem Handy Nachrichten zu lesen, sich jede Pressekonferenz oder alle Bilder und Videos in den Sozialen Medien anzuschauen: "Es reicht sich morgens, zu Mittag und am Abend über die wichtigsten Neuigkeiten zu informieren", lautet der Tipp von Keßelring.
Eltern, deren Kinder bereits wegen der anhaltenden Corona-Pandemie bedrückt seien oder die nicht wüssten, wie sie ihren Kindern ein Gefühl von Sicherheit geben könnten, rät die Expertin, "erstmal gut für sich selbst zu sorgen, damit man nicht die ganze Nervosität den Kindern weitergibt, und ehrlich zu sagen, was passiert ist". Man könne etwa versuchen einen guten Tag in der Familie verbringen und sollte "nicht alles dem neuen Ereignis unterordnen".
Als "wunderbar" bezeichnet Keßelring es dabei zwar, wenn Menschen über Soziale Netzwerke zu Solidarität aufrufen, "die ganze Zeit auf Sozialen Medien herumzuhängen, ist aber kontraproduktiv, wichtiger ist es nun den Alltag besonders zu schätzen". Letzteres sei wichtig, da Attentäter die Sicherheit, den Alltag und die Entspannung bewusst zerstören und beunruhigen wollten, mahnte Keßelring. "We don't let them win", erinnert die Theologin dabei an einen Spruch nach dem Attentat in der Manchester Arena im Jahr 2017. "Wir lassen die Attentäter nicht in unseren Alltag hinein, sondern halten dagegen mit dem, was wir haben."
Klopapier als Krisenphänomen
Menschen in Krisensituationen würden dazu neigen ihren Alltag plötzlich "ganz anders zu leben, denn irgendwas muss sich ja nun ändern, wenn ein Ausnahmezustand herrscht", erklärte die Leiterin der Wiener Seelsorgeeinrichtung. Damit könne man auch jüngste Phänomene rund um die Corona-Pandemie erklären, etwa Klopapier-Hamsterkäufe, "die bildlich zeigen, dass nun etwas anders läuft als bislang". "Ich muss meinen Alltag wegen einer Krise aber nicht verändern und kann bei Telefonaten auch etwas anderes besprechen als das Attentat oder Corona-Sorgen", so Keßelring. Nachsatz: "Unser Leben läuft trotz des Attentats weiter."
Unter der Notrufnummer 142 können Anrufende mit ausgebildeten Mitarbeitern über ihre Schwierigkeiten, Sorgen, Ängste, Nöte sprechen. Die Telefonseelsorge ist rund um die Uhr erreichbar, vertraulich und kostenlos. Zudem bietet die ökumenisch getragene Telefonseelsorge eine Chat- und Mailberatung an. (Link: www.telefonseelsorge.at)
Quelle: kathpress