Theologe: Missbrauch bedingt kritische Anfrage an Amtsverständnis
"Wieso hat bislang kein deutscher Bischof von sich aus Konsequenzen gezogen und ist in einem Akt zumindest stellvertretender Verantwortung zurückgetreten?" - Diese Frage im Zusammenhang mit der Missbrauchskrise stellt der Salzburger Fundamentaltheologe Prof. Gregor Maria Hoff in einem Beitrag in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung "Die Furche". Und er sieht die Antwort auf diese Frage weniger in den Persönlichkeiten der Bischöfe als im sakralen katholischen Amtsverständnis begründet.
Hoff wörtlich: "Der innere Widerspruch der Person erklärt sich nicht allein aus der Persönlichkeitsstruktur der einzelnen Akteure. Dazu ist das Verhaltensmuster episkopaler Beharrungsfestigkeit im Amt zu konform; es hat selbst systemischen Charakter." Dafür gebe es theologische Gründe, die tief in das Leben und die Handlungsmuster eingreifen, die priesterliche Existenz bestimmen.
Das katholische Verständnis des Amtes beanspruchte einen "character indelebilis": die unzerstörbare, bleibende Disposition des Geweihten. "Er trägt das Prägemal Jesu Christi. Im Amt gehen Person und Dienst ineinander über. Der Priester handelt an Christi statt. Das wird nirgendwo deutlicher als dort, wo er jene Zeichen setzt, zu denen er im Sakrament der Weihe ermächtigt wird: in der Liturgie", so Hoff.
"Der Priester repräsentiert Jesus Christus"
Die sakramentale Logik bilde hier einen strengen Zusammenhang: "Der Priester repräsentiert Jesus Christus. Er wird dabei selbst zu einem Zeichen, das einerseits über die konkrete Person des Einzelnen hinausweist, sie zum anderen aber radikal beansprucht. In der Liturgie gewinnt dies körperliche Anschauungskraft", so Hoff. Ohne den Priester gebe es schließlich keine sakramentale Buße und keine Eucharistiefeier. Weil diese aber das Zentrum des kirchlichen Lebens bildet, nehme die liturgische Bedeutung des Amtes im einzelnen Priester eine unverzichtbare Gestalt an. Und genau das präge, befindet Hoff: "Das liturgische Amt bestimmt die Identität des Priesters."
Deutlich werde das auch an der Funktion der liturgischen Gewänder. Sie würden die biografische Bindung an den einzelnen Priester aufheben, sie seien übertragbar. Letztlich bekleide man nicht sich selbst, "sondern zieht Christus symbolisch an". Damit werde eine klare Rollenverteilung festgelegt: "Christus agiert in der Eucharistie. Aber er handelt in der Form einer Stellvertretung, die ein ambivalentes Rollenspiel in der Liturgie freisetzt."
Die Feier der Eucharistie bestehe in einem performativen Vorgang. Was in Zeichen bestimmt wird, ereigne sich als Vollzug: Gegenwart Gottes. "Unabhängig von der persönlichen Glaubwürdigkeit des Priesters gilt, was hier geschieht." Zugleich nehme die Rollenfestigkeit des Amtes damit eine ungeheure Stabilität an, so der Salzburger Theologe: "Sie lässt sich durch nichts ins Wanken bringen - weshalb letztlich die Entlassung aus dem Priesteramt die höchste Bestrafung eines Missbrauchstäters wie des Ex-Kardinals Theodore McCarrick darstellt."
"Orbit sakralisierter Macht"
Die Liturgie bilde den Raum, in dem sich die Logik des Amtes darstellt und vollzieht Der Zugang zum Allerheiligsten, priesterlich vermittelt, bilde damit auch einen "Orbit sakralisierter Macht". Tatsächlich handle es sich auch nach kirchlichem Recht und dogmatischer Bestimmung beim Priesteramt um einen Stand, so Hoff: "Ständisch organisiert, erweist sich die Beharrungskraft im Amt insofern als konsequenter Ausdruck eines Systems, das sich liturgisch je neu bestätigt. Gerade weil das Amt in der Kirche einen theologisch präzisen Sinn hat, weil es die sakramentale Dimension der Kirche zur Geltung bringt, erweist es sich als so schwierig, den Schritt aus dem Amt von sich her zu vollziehen."
Quelle: kathpress