Klasnic wird 75: Unermüdlicher Einsatz für ein Leben in Würde
Gegen aktive bzw. kommerzielle Sterbehilfe in Österreich hat sich einmal mehr Waltraud Klasnic, Präsidentin des Dachverbandes Hospiz Österreich, ausgesprochen. Sie habe großes Vertrauen in den Verfassungsgerichtshof, der sich gerade mit der entsprechenden Materie befasst, dass er die richtige Entscheidung treffen werde, so Klasnic im Kathpress-Interview anlässlich ihres runden Geburtstages. Sie forderte als Alternative den zügigen Ausbau der Hospizversorgung in Österreich. Die frühere steirische Landeshauptfrau begeht am 27. Oktober ihren 75. Geburtstag und hat sich immer wieder konkret für ein Leben in Würde von besonders schutzbedürftigen Personen eingesetzt.
Wenn sie sich schon etwas zum Geburtstag wünschen wolle, "dann das, dass noch in dieser Legislaturperiode endlich die Regelfinanzierung des Hospizbereiches umgesetzt wird". Im Regierungsprogramm sei dies vorgesehen, äußerte sich Klasnic optimistisch. Im Palliativbereich sei man in Österreich schon sehr weit, im Hospizbereich - im stationären Bereich, bei Tageshospizen und Mobilen Diensten - gerade einmal bei vielleicht 50 Prozent der notwendigen Strukturen, sah die Hospiz-Präsidentin noch Luft nach oben. Auch in die Ausbildung des medizinischen und pflegerischen Personals müsse investiert werden.
Klasnic warnte davor, dass bei einer Legalisierung der aktiven Sterbehilfe bzw. des assistierten Suizids der Druck auf ältere oder kranke Menschen, aus dem Leben zu scheiden, sich stark erhöhen würde. Immer wieder hatte sich Klasnic auch gegen "gewerbsmäßig bezahlte Selbstmordhilfe" ausgesprochen: "Wer darf sich seinen eigenen Mord dann bestellen gegen Bezahlung? Die 24-Jährige mit Liebeskummer oder der kerngesunde 72-Jährige, dessen Frau gerade verstorben ist?" Wohin es führt, wenn der Weg der Freigabe einmal eingeschlagen ist, sehe man etwa an den Niederlanden, wo nun auch bei Kindern aktive Sterbehilfe zulässig sei, warnte Klasnic.
Außerdem: "Was mutet man damit auch den Ärzten zu?" Auch die Mehrzahl der Ärzte sei gegen aktive Sterbehilfe. Im Blick auf die aktuelle Gesetzeslage verwies Klasnic auf die Patientenverfügung und den Vorsorgedialog für Pflegeheime. Der Patient habe das Recht, ein Medikament nicht anzunehmen oder eine Behandlung abzulehnen. Und man könne es auch palliativ zulassen, dass jemand schmerzfrei sterben kann.
Missbrauch: Vor allem zuhören wichtig
Klasnic, sie ist auch Obfrau der Unabhängigen Opferschutzkommission, nahm im Kathpress-Interview auch ausführlich zur kirchlichen Missbrauchsproblematik Stellung. In den zehn Jahren der Arbeit der Kommission sei ihr klar geworden, "dass es vor allem darum geht, Betroffenen zuzuhören, Geduld zu haben und ihnen Zeit zu schenken". Sie selbst habe gut tausend Gespräche geführt, was sie vor allem anfangs auch an die eigenen emotionalen Grenzen gebracht habe. Klasnic: "Für viele Opfer war es das erste Mal, dass ihnen überhaupt jemand zugehört hat." Sie sei dankbar für das große Vertrauen, das ihr die Betroffenen entgegenbrachten. Und auch heute noch führe sie regelmäßig Gespräche, berichtete die Ex-Politikerin. Es gehe überwiegend um lang zurückliegende Missbrauchsfälle. Viele der Beschuldigten würden nicht mehr leben. Betroffene, deren Fälle positiv beschieden werden, erhalten bis heute Zahlungen der kirchlichen "Stiftung Opferschutz".
Klasnic zeigte sich im Kathpress-Interview auch einmal mehr davon überzeugt, dass es von Kardinal Christoph Schönborn bzw. dem heimischen Episkopat "absolut richtig" gewesen sei, in Österreich die Aufarbeitung von kirchlichen Missbrauchsfällen unabhängigen Fachleuten zu übertragen. Mit der Kommission sei die Kirche in Österreich national und international führend geworden. Dass es nun in Österreich ein Heimopferschutzgesetz gebe, sei ein Ergebnis der Kommissionsarbeit, so Klasnic. Auch internationale Experten wie der deutsche Jesuit Klaus Mertes oder Prof. Hans Zollner, Leiter des päpstlichen Kinderschutzzentrums, würden die Vorbildfunktion bestätigen.
Bewusstseinsbildung und Prävention
Die Aufarbeitung und Betroffenenhilfe brauche freilich die stetige Ergänzung durch Bewusstseinsbildung und Präventionsarbeit, so Klasnic weiter. Das Grundprinzip aller Bemühungen komme sehr schön im Titel der Rahmenordnung der katholischen Kirche in Österreich zum Ausdruck: "Die Wahrheit wird euch frei machen." Die Rahmenordnung enthält die verbindlichen Maßnahmen und Regelungen sowie Orientierungshilfen gegen Missbrauch und Gewalt in der Kirche. Wie Klasnic sagte, wird die Rahmenordnung gerade von Experten und dem Feldkircher Bischof Benno Elbs - einem ausgebildeten Psychotherapeuten - überarbeitet.
Seit 2010 seien mehr als 2.300 Betroffenen finanzielle Hilfen bzw. Kostenübernahmen von Therapiestunden in der Höhe von mehr als 30 Millionen Euro zugesprochen worden. Die meisten Fälle würden schon lange zurückliegen, nur ein verschwindend geringer Teil beziehe sich auf die letzten 20 Jahre. Im Zweifel habe die Kommission immer für die Betroffenen gestimmt, berichtete deren Leiterin. Nur in rund 100 Fällen habe es überhaupt keine Anhaltspunkte für Vorfälle gegeben. In mehr als zwei Dritteln aller Fälle gehe es um körperliche Gewalt, in einem Drittel um Gewalt und sexuellen Missbrauch. Jeder Fall sei einer zu viel, betonte Klasnic, trotzdem müsse man darauf hinweisen, dass die Missbrauchsfälle in der Kirche nur rund 1,5 Prozent aller Missbrauchsfälle im Land ausmachen.
Klasnic betonte die Unabhängigkeit der Kommission auch gegen anderslautende Behauptungen etwa der "Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt". Es werde jedem Betroffenen angeboten, sich bei Juristen Rat zu holen, "und diese juristische Auskunft wurde von uns auch finanziert. Ebenso das bis zu zehnstündige Clearing, das die Psychologen vorgenommen haben, um jeden Fall genau aufzuarbeiten". Die Kommission habe in den vergangenen zehn Jahren bewiesen, "dass uns jeder Mensch wichtig ist".
ORF würdigt Klasnic
Anlässlich des 75. Geburtstags der ersten Landes-Chefin Österreichs zeigt ORF III am Samstag, dem 24. Oktober, ab 20.15 Uhr das von Roland Adrowitzer und Vera Schmidt gestaltete Filmporträt "Waltraud Klasnic - Die Frau Landeshauptmann". Ö1 sendet am 21. November in der Sendereihe "Logos - Glauben und Zweifeln" (19.05 Uhr) ein ausführliches Interview mit Waltraud Klasnic.
Waltraud Klasnic zählt zu den Vorreiterinnen der österreichischen Politik. 1945 in Graz geboren, stand die dreifache Mutter von 1996 bis 2005 als erste Frau der steirischen Landesregierung vor. Nach ihrem Ausscheiden aus der Politik wurde Klasnic u. a. Kuratoriumsvorsitzende des Zukunftsfonds der Republik Österreich, Präsidentin des Dachverbandes Hospiz Österreich und 2006 Mitglied des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses. Im Zuge der wiederkehrenden Debatte rund um Missbrauchsfälle innerhalb der katholischen Kirche Österreichs übernahm Klasnic 2010 außerdem die Funktion der Opferschutzanwältin.
Quelle: kathpress