Moraltheologe erwartet nach Papst-Aussagen kontroverse Debatte
Eine kontroverse Debatte über die Papst-Forderung nach einem rechtlichen Schutz für gleichgeschlechtliche Paare in Form von eingetragenen, zivilen Partnerschaften erwartet der Moraltheologe Martin M. Lintner. Die Aussagen des Papstes im neuen Dokumentarfilm "Francesco" gingen über die Lehre der vergangenen 40 Jahre hinaus, wonach eine homosexuelle Person aufgrund ihrer sexuellen Orientierung nicht diskriminiert werden darf, erklärte der Brixener Theologie-Professor am Donnerstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur Kathpress.
Die Worte des Papstes seien im Kontext der besonderen Sensibilität für den einzelnen konkreten Menschen zu betrachten, die Franziskus auszeichne, so Lintner. "Er nimmt den Wunsch von homosexuell orientierten Menschen wahr, die sich nach einer Partnerschaft sehnen und die darunter leiden, wenn es ihnen nicht ermöglicht wird." Dass der Papst diesen Wunsch als berechtigt anerkenne und eingetragene Partnerschaften befürworte, "erfordert als nächsten Schritt konsequenterweise eine Neubewertung von homosexuellen Partnerschaften in der katholischen Lehre", analysierte der Moraltheologe.
Angesichts der heftigen Diskussionen, die schon im Anschluss an das nachsynodale Apostolische Schreiben "Amoris laetitia" zum Kontext Eucharistie für geschiedene Wiederverheiratete stattgefunden hätten, erwarte er auch nun "intensive und kontroverse Debatten", so Lintner. Er hoffe freilich, dass diese "mit dem geforderten Respekt für die Anliegen von homosexuellen Menschen, mit der nötigen Aufmerksamkeit für ihre Lebenssituationen und auch mit der ihnen geschuldeten Achtsamkeit für die Leiderfahrungen, die sie mit der Kirche gemacht haben bzw. machen, geführt werden".
Arbeitsgruppe bestätigt gewachsene Akzeptanz
Die Wiener ökumenische Arbeitsgruppe "Homosexuelle und Glaube" (HuG) sieht die jüngsten Aussagen von Papst Franziskus zum Thema Homosexualität als "Bestätigung des Kurses der römisch-katholischen Kirche der letzten Jahre zu mehr Akzeptanz homosexueller Lebenswirklichkeiten". In ihrer Stellungnahme am Donnerstag bewertete es die HuG als positiv, dass der Papst homosexuellen Menschen das Recht auf Familie zugesteht und sogar den zivilrechtlichen Rahmen einer eingetragenen Partnerschaft fordert. Der Dialog mit Kirchen, in denen es bereits Segnungen von gleichgeschlechtlich Liebenden gibt, könne sich durch die jüngste Entwicklung verbessern.
Weiterhin vermisse die HuG aber die völlige Gleichstellung homosexueller und heterosexueller Menschen in allen Lebensbereichen, "speziell was die kirchliche Trauung betrifft". Die katholische Bischofskonferenz "ermutigte" die Gruppe, das päpstliche Wort als Anlass zu entsprechenden Initiativen in Österreich zu nehmen. Die HuG stehe für einen weiterführenden konstruktiven Dialog zur Verfügung. (Info: www.hug-wien.at)
Quelle: kathpress