Karabach-Konflikt: Kriegsopfer brauchen dringend Hilfe
Der Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien bzw. Berg-Karabach ist noch lange nicht ausgestanden. Diese Befürchtung hegt die Salzburger Armenien-Expertin Jasmin Dum-Tragut. Im Kathpress-Interview am Mittwoch berichtete Dum-Tragut von immer mehr Flüchtlingen aus Berg-Karabach, die nun in Armenien untergebracht und notversorgt werden müssen. Die Situation werde von Tag zu Tag dramatischer. Dazu komme: In Kriegszeiten sei Corona weder bei den Flüchtlingen noch bei der Armee ein Thema. Das werde sich aber noch ändern, denn die zweite Welle stehe vor der Tür.
Dum-Tragut, Leiterin des "ZECO" (Zentrum zur Erforschung des Christlichen Ostens) der Theologischen Fakultät der Universität Salzburg, war Anfang Oktober eigentlich zu einem Forschungsaufenthalt nach Armenien gereist. Der Aufenthalt war dann allerdings massiv vom Krieg überschattet. Die Fronten zwischen Aserbaidschan auf der einen und Berg-Karabach und Armenien auf der anderen Seite seien total verhärtet, so der Befund der Expertin, die seit wenigen Tagen wieder zurück in Österreich ist. Ein Ende der Kämpfe sei wohl erst dann zu erwarten, wenn eine Seite nicht mehr kann.
Die einzige alternative Lösung sieht Dum-Tragut deshalb im entschiedenen und massiven Auftreten der internationalen Staatengemeinschaft, am ehesten der "Minsk-Gruppe" der OSZE. Dann bräuchte es aber etwa auch Friedenstruppen vor Ort, um einen Waffenstillstand zu überwachen. Das sei alles freilich höchst unrealistisch, musste Dum-Tragut einräumen. Die Frage, wer den Krieg begonnen hat, beantwortete sie indirekt. "Wem nützt der Krieg? Armenien sicher nicht." Die letzte offizielle Opferzahl auf armenischer Seite von vor zwei Tagen lag bei 710 getöteten Soldaten. Täglich sterben rund 40 meist sehr junge Männer, viele nicht älter als 20, so Dum-Tragut.
Sie verwies auch auf Stellungnahmen höchster armenischer Politiker, wonach es inzwischen handfeste Beweise gebe, dass die Türkei direkt auf aserbaidschanischer Seite mitmische. Und sobald die Türkei ins Spiel komme, komme bei den Armeniern das Trauma des Genozids von 1915 wieder hoch.
Rasche Hilfe für Flüchtlinge in Armenien
Positiv überrascht zeigte sich Dum-Tragut von den armenischen Behörden insofern, als diese sehr rasch auf die Not der Flüchtlinge reagiert hätten. So könnten Flüchtlingskinder sofort in Armenien zur Schule gehen, Flüchtlinge würden auch hier ihre Sozialleistungen der (nicht anerkannten) Republik Arzach (Berg-Karabach) ausbezahlt bekommen. Die Flüchtlinge aus Berg-Karabach, die in Armenien ankommen, würden inzwischen über das ganze Land verteilt. Vor allem auch die Kirchen und NGOs, aber auch viele Privatpersonen versuchten zu helfen, so gut es geht.
Freilich: Es gehe nicht so gut, wie es notwendig wäre. Deshalb möchte Dum-Tragut in den nächsten Tagen in Österreich eine Hilfsaktion starten und hofft auf viele Mitstreiter wie etwa den Salzburger Erzbischof Franz Lackner. Mit den Geldern sollen in der Diözese Tavusch Flüchtlingsfamilien und Familien von gefallenen armenischen Soldaten unterstützt werden. Eines ist Dum-Tragut dabei wichtig: "Wir unterstützen nicht den Krieg. Wir helfen den Opfern des Krieges." In den nächsten Tagen will sie mit ersten Informationen zur Hilfsaktion an die Öffentlichkeit gehen.
Quelle: kathpress