Vatikanexperte: 40 Millionen Menschen Opfer von Menschenhandel
Zum verstärkten Kampf gegen Menschenhandel und moderne Sklaverei hat der österreichische Vatikanmitarbeiter Michael H. Weninger vom Päpstlichen Rat für den interreligiösen Dialog aufgerufen. 40 Millionen Menschen weltweit seien laut Schätzungen der Vereinten Nationen Opfer von Menschenhandel, erinnerte Weninger bei einer Online-Diskussion im Rahmen des dieswöchigen internationalen "G20 Interfaith Forum". Zivile und religiöse Autoritäten müssten ihre Kräfte bündeln, um jene Strukturen zu beseitigen, die moderne Sklaverei zu einem "lukrativen Geschäft" für die Täter machten. Dabei gehe es um ungerechte wirtschaftliche, soziale und politische Strukturen genauso wie um den Missbrauch von Religion.
Einige der Ursachen moderner Sklaverei hätten sich verändert; Weninger verwies dabei auf Entwicklungen im Zusammenhang mit Migrationsbewegungen, teils religiös begründeten Terror, aber auch Cyberkriminalität oder Sklaverei im Zusammenhang mit neuen Wirtschaftsformen. All dies sei "alarmierend und weithin bekannt", müsse aber immer wieder klar angesprochen werden, so der Wiener Priester. Die "Tragödie" des Menschenhandels werde zwar wahrgenommen, im Kampf dagegen existiere jedoch noch immer eine Kluft zwischen Theorie und erfolgreicher Praxis.
Auch der Missbrauch und die Instrumentalisierung von Religionen zur Rechtfertigung von Diskriminierung in all ihren Formen bis hin zu Menschenhandel und Sklaverei müsse stärker als bisher ins Bewusstsein gerückt und klar geächtet werden, forderte Weninger. Oft gehe es dabei um eine falsche Auslegung oder ein falsches Verständnis heiliger Schriften, das auch für terroristische Aktionen missbraucht werde. Der Vatikanexperte erinnerte an Frauen und Kinder, die als Selbstmordattentäter in den Tod geschickt werden, oder den Einsatz von Kindersoldaten oder Zwangsverheiratungen. "Die Akzeptanz von Gewalt in verschiedenen Formen auf der Grundlage einer religiösen Überzeugung gehört heute zum Phänomen dieser Art von Sklaverei", mahnte Weninger.
Umso wichtiger sei der interreligiöse Dialog und das religionenübergreifende Bekenntnis zur Menschenwürde jeder Person, so der Vatikanmitarbeiter. Hier müssten auch Religionen eine deutliche Rolle bei Prävention und Bekämpfung von Menschenhandel und moderner Sklaverei spielen.
Weninger, der im Päpstlichen Rat für den interreligiösen Dialog u.a. wesentlich das Gespräch mit dem Islam mitverantwortet, betonte dazu die Bedeutung von Dokumenten wie dem vatikanisch-muslimische Dialogpapier von Abu Dhabi. Das 2019 von Papst Franziskus und Großimam Ahmad Al-Tayyeb unterzeichnete "Dokument über die universelle Geschwisterlichkeit der Menschen" sei auch "ein zukunftsorientiertes und einzigartiges Instrument zur Bekämpfung der Verbrechen gegen die Menschlichkeit", zeigte sich Weninger überzeugt.
Zum praktischen Einsatz gegen den Menschenhandel in der katholischen Kirche betonte der Vatikanmitarbeiter auch die "meist stille aber enorme" Hilfe, die seit vielen Jahren von religiösen Gemeinschaften geleistet wird. Insbesondere Ordensfrauen seien in der Unterstützung von Opfer hoch aktiv, erinnerte Weninger. Für diese Aufgabe, die Mut und Beharrlichkeit erfordere, verdienten sich die Helferinnen die Anerkennung der ganzen Kirche und der ganzen Gesellschaft. Darüber hinaus brauche es im Kampf gegen die moderne Sklaverei und die Ausbeutung von Menschen deutliches Engagement auf institutioneller Ebene.
Beim vom Wiener Dialogzentrumn KAICIID mitorganisierten "G20 Interfaith Forum" beraten bis Samstag rund 500 Religionsführer, Experten und Politiker über die Folgen der Corona-Pandemie und Strategien gegen gewaltsame Konflikte, Klimawandel, Hassrede und Menschenhandel. Aus Österreich wird auch der Gemeinderabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien, Schlomo Hofmeister, bei dem am Montagabend eröffneten Konferenz sprechen. Coronabedingt findet das Forum online statt. Die Veranstaltung wird live auf der Website www.G20Interfaith.live übertragen. Die Ergebnisse sollen Ende November den Staats- und Regierungschefs der führenden Volkswirtschaften der Welt bei ihrem diesjährigen G20-Gipfel vorgelegt werden.
Quelle: kathpress