Kardinal Koch: "Europa nicht mehr Zentrum der Weltkirche"
Europa ist längst nicht mehr "das Zentrum der Weltkirche und nicht mehr der Mittelpunkt des kirchlichen Lebens". Dieses befinde sich heute in Afrika, Lateinamerika und Asien: Diese Einschätzung hat Kardinal Kurt Koch, Präsident des Päpstlichen Einheitsrates, im interview mit der "KirchenZeitung" der Diözese Linz, getätigt. Auch wenn Europa nicht mehr Nummer Eins der Kirche sei, erwarte sich Papst Franziskus viel von dem Kontinent, "was besonders mit seinen Besuchen bei den europäischen Institutionen deutlich geworden ist", so Koch.
Über die aktuellen Irritationen zwischen Rom und vor allem der katholischen Kirche in Deutschland, etwa rund das Votum des Ökumenischen Arbeitskreises in Deutschland für die gegenseitige Einladung zu Eucharistie und Abendmahl, meinte Koch: "Die Glaubenskongregation beurteilt die ökumenische Situation heute anders als das genannte Votum (..)". Obwohl auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, das Votum unterschrieb, gab es dazu von der Glaubenskongregation ein Nein.
Zum von der Kirchenzeitung vorgebrachten Einwand, dass wohl die Mehrheit der deutschen Bischöfe hinter dem Votum stehen, meinte Kardinal Koch: "Die Mehrheit ist nicht von selbst die Garantie für die Wahrheit, nicht in der Politik und erst recht nicht in der Kirche."
Das ökumenische Ziel sei die Einheit - auch in der Eucharistie. Damit dies möglich werden könne, "müssen wir vertieft darüber ins Gespräch kommen, was wir eigentlich feiern". So gebe es im Verständnis der Göttlichen Liturgie der Orthodoxen, des Abendmahls der Lutheraner und der katholischen Eucharistiefeier "Differenzen theologischer Art, die bereinigt werden müssen." Eucharistiegemeinschaft setze jedoch Gemeinschaft im Glauben und im Bekenntnis voraus, unterstrich der vatikanische "Ökumene-Minister".
Frauenfrage: Kein Konzil in Aussicht
Auf das Thema "Frauen in der Kirche" angesprochen meinte der Kurienkardinal: "Diese Frage ist heute sehr virulent, sodass die Kirche eine Antwort darauf finden muss." Das Hauptproblem bestehe seiner Meinung nach darin, "dass in den Diskussionen zumeist von einem rein funktionalen Amtsverständnis ausgegangen wird; auf dieser Ebene ist in der Tat nicht einsichtig zu machen, warum Frauen nicht dieselben Funktionen ausüben könnten". Theologisch könne die Frage nur angegangen werden, "wenn danach gefragt wird, was unter Weihe zu verstehen ist und worin die Sendung besteht, die mit der Weihe verbunden ist, nämlich in der Repräsentation Christi als des Hauptes der Kirche".
Zur Nachfrage, ob man dieses Thema auf einem Konzil angehen könnte, meinte Koch, dass bereits Papst Johannes Paul II. eindeutig entschieden habe, dass er nicht die Vollmacht habe, die Tradition der Männern vorbehaltenen Weihe zu ändern. Auch seine Nachfolger, Papst Benedikt XVI. und Papst Franziskus hätten diese Entscheidung verschiedentlich bestätigt. Angesichts dieser Lage könnte die Frage nur dann aufgenommen werden, wenn ein künftiger Papst entscheiden würde, die Frage auf einem Konzil nochmals beraten zu lassen. Da sich jeder Papst an die Entscheidungen seiner Vorgänger gebunden fühle, "dürfte eine solche Entscheidung nicht leicht zu fällen sein".
Feind oder Gast?
Zu den Herausforderungen von Migration und Fluchtbewegungen meinte der Kurienkardinal, dass das Hauptproblem darin bestehe, wie diese Aufgabe auf europäischer Ebene gelöst werden könne. "Diesbezüglich ist die notwendige Solidarität unter den europäischen Ländern bisher sehr schwach entwickelt", so der kritische Befund Kochs.
Um den Umgang mit fremden Menschen zu pflegen, sei zudem eine Vertiefung der eigenen Identität notwendig, "denn ich kann nur offen sein für das Fremde, das mir entgegen kommt, wenn ich selbst über eine klare Identität verfüge".
Eine Herausforderung bestehe auch darin, wie man den fremden Menschen wahrnehme, so der Kardinal. Im klassischen Latein benenne der Begriff "hostis" den Fremden und zugleich den Feind; das griechische Wort "xenos" bezeichne demgegenüber den Fremden und zugleich den Gast. Von daher stelle sich die Frage, "wie wir heute den Fremden betrachten: als Feind oder als Gast?" Die jüdisch-christliche Tradition sei hier eindeutig, so Koch: "Wenn wir beispielsweise im Talmud die schöne Definition finden, dass es eigentlich gar keine Fremden gibt, sondern nur Menschen, denen wir bisher noch nicht begegnet sind".
Evangelischer Superintendent enttäuscht
In der Linzer Kirchenzeitung hat auch der oberösterreichische evangelische Superintendent Gerold Lehner zur Debatte um das Votum des Ökumenischen Arbeitskreises in Deutschland Stellung genommen und sich enttäuscht gezeigt. Zwar sei es richtig, dass es noch "offene Fragen" gebe, "gleichzeitig aber beschleicht einem das Gefühl, dass man diese 'offenen Fragen' auch dazu benützt, um den Prozess der Ökumene immer wieder ins Leere laufen zu lassen, so Lehner in Richtung der katholischen Kirche und des Vatikans.
Lehner ortete hier eine Spannung mit der vonseiten der katholischen Kirche betonten Bedeutung der Ökumene: "Wenn diese nämlich von solcher Bedeutung ist, dann müsste man ja strategisch darauf hinarbeiten, müsste substanzielle Initiativen unterstützen und willkommen heißen", so Lehner.
Der "status quo" bezeichnete der Superindenten wörtlich als "ermüdend, denn es wird immer irgendwo einen Aspekt geben, den man noch nicht ausreichend bedacht hat und den man als 'Bremshebel' benutzen kann". Was gegenwärtig fehle, sei der "Mut, den schon gebahnten Weg auch zu beschreiten".
Quelle: kathpress