Koch: Europa braucht dringend Besinnung auf christlichen Geist
Eine Gesellschaft, die ihr Gottesbewusstsein verloren hat, steht auch in großer Gefahr, dass die Menschenwürde verloren geht. Das hat Kardinal Kurt Koch, Präsident des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen, am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Linz betont. Europa habe nur dann eine Zukunft, wenn es sich wieder stärker auf seine christlichen Werte bzw. seinen christlichen Geist besinnt, zeigte sich Koch überzeugt. Der Kurienkardinal hält sich dieser Tage in Österreich auf, wo er Gast der Stiftung Pro Oriente ist. Am Donnerstagabend steht in Linz ein Vortrag des Kardinals über Europa und das Christentum auf dem Programm.
Das 20. Jahrhundert habe gezeigt, so Koch, dass Humanität, die den Bezug zu Gott auszuschließen versucht, nicht mehr Freiheit ermöglicht, sondern rasch zu Götzendienst und Willkür führen kann. Menschenwürde im christlichen Sinn könne niemandem genommen werden, denn sie sei auch von niemandem gegeben. Die unabdingbare Würde jedes Menschen sei einzig in Gott gegründet, so Koch. Er verwies in diesem Zusammenhang auch auf besorgniserregende Entwicklungen in Europa wie in Österreich - Stichwort "Sterbehilfe" - wo die Würde des Menschen immer stärker unter Druck gerät.
Wenn sich Politiker auf die christlichen Werte Europas bzw. ihrer Heimat berufen, sei dies grundsätzlich positiv zu bewerten, so Koch auf Anfrage. Freilich: Dieses Bekenntnis müsse sich in der Praxis bewähren und zeige sich etwa in der Offenheit Fremden gegenüber, so der Kardinal.
Im Blick auf die Geschichte Europas räumte der Kardinal ein, dass die Konfessionskriege des 16. und 17. Jahrhunderts und das negative Beispiel, das die Kirchen damals gaben, die eigentliche Wurzel der Säkularisierung waren. Die Kirchen könnten deshalb auch nur gemeinsam wieder eine gesamtgesellschaftliche europäische Größe werden, plädierte Koch für verstärkte ökumenische Anstrengungen. Dies gelte sowohl im Blick auf die Kirchen der reformierten Tradition wie auch der Orthodoxie.
Bereicherung und Korrektiv
Der Kurienkardinal bestritt die Pressekonferenz in Linz gemeinsam mit Bischof Manfred Scheuer, Pro Oriente-Präsident Alfons Kloss und dem Vorsitzenden der Linzer Sektion von Pro Oriente, Altlandeshauptmann Josef Pühringer.
Ökumene sei kein Nebengeschäft oder das Hobby einiger weniger in der Kirche, sondern gehöre zu den Grundvollzügen der Kirche, betonte Bischof Scheuer. Es gehe nicht um Gleichmacherei oder Vereinnahmung, sondern um eine gegenseitige Bereicherung und mitunter sicher auch ein gegenseitiges Korrigieren.
Ganz im Sinne von Papst Franziskus und seiner neuen Enzyklika "Fratelli tutti" hob der Linzer Bischof den gemeinsamen Einsatz der Kirchen für Friede, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung hervor.
Der Ökumene in Oberösterreich, sowohl mit der evangelischen Kirche wie auch den orthodoxen und altorientalischen Kirchen, stellte Scheuer ein gutes Zeugnis aus. Freilich, etwa im Blick auf die Eucharistiegemeinschaft gebe es immer noch Spannungen, "die wir zur Zeit noch nicht auflösen können". Das müsse man auch ehrlich so benennen. Grundsätzlich herrschten aber gegenseitige Wertschätzung und Wohlwollen vor und alle Kirchen verbinde das gemeinsame Ziel der Einheit, hielt Scheuer fest. Er ist auch in der Österreichischen Bischofskonferenz für Ökumene zuständig.
"Mahner und Treiber" der Ökumene
Altlandeshauptmann Pühringer bezeichnete Pro Oriente in diesem Zusammenhang als "Mahner und Treiber" der Ökumene. Pro Oriente bemühe sich, Dialog und Begegnung zwischen den Kirchen zu ermöglichen. Dabei hebe man das Verbindende hervor, das weit stärker sei als das, was die Kirchen noch trennt, so Pühringer.
Pro Oriente Präsident Kloss verwies auf den jüngsten internen Zukunftsprozess der Stiftung. Für die Zukunft wolle man vielleicht noch pointierter Beiträge zur Versöhnung und Konfliktlösung zwischen den Kirchen liefern, zugleich als internationales Kompetenznetzwerk für die Beziehungen zu den Kirchen des Ostens weiter fungieren. Eine dritte wesentliche Aufgabe: "Wir wollen aktiver Fürsprecher für die bedrängten Christen in aller Welt sein und wir wollen uns für die Integration jener einsetzen, die nach Österreich kommen", sagte Kloss.
Donnerstagvormittag besuchte Koch in St. Radegund das Grab von Franz und Franziska Jägerstätter. Weiters auf dem OÖ-Besuchsprogramm des Kardinals standen am Donnerstag noch das Stift St. Florian sowie eine Begegnung mit Vertretern der Kirchen und des Judentums in Oberösterreich auf dem Pöstlingberg.
Quelle: kathpress