Pflegereform: Sozialorganisationen fordern "Personaloffensive"
Nach dem offiziellen Start der Pflegereform durch Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) am Montag fordert die Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrt (BAG) mit den Mitgliedern Caritas, Diakonie, Hilfswerk, Rotes Kreuz und Volkshilfe eine österreichweite "Personaloffensive" für den Pflegebereich. Die Personalfrage sei die "Schicksalsfrage der Pflegereform", mahnten die Sozialorganisationen. Aktuell verzeichnet die Pflegebranche einen Zulauf und Mangel zugleich: So ist der Pflegesektor zwar einer der am schnellsten wachsenden in Österreich, gleichzeitig gibt es einen Mehrbedarf aufgrund des demografischen Wandels. Als Lösung schlugen die Hilfswerke eine finanzielle Absicherung bei der Ausbildung zu Pflegeberufen, faire Arbeitsbedingungen und einen besseren Personalschlüssel vor.
Laut einer Studie der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) braucht das Land bis 2030 rund 75.000 zusätzliche Pflegekräfte. Dem gegenüber stehe jedoch der Trend, dass es aktuell eher einen Rückgang von Absolventen gebe, zudem gehe auch die Zahl der pflegenden Angehörigen zurück, rechnete Elisabeth Anselm, Geschäftsführerin des Hilfswerk Österreich und aktuelle Vorsitzende des BAG im Rahmen einer Pressekonferenz in Wien am Mittwoch vor.
Der zusätzliche Bedarf an Pflegekräften ergebe sich aus der steigenden Lebenserwartung, der kommenden Pensionierungswelle der sogenannten "Babyboomer"-Generation und einer Zunahme demenzieller Beeinträchtigung. Dringend nötig sei nun "ein Kraftakt mit großer Wirkung", denn schon ab 2024 könne der Personalbedarf nicht mehr mit Absolventen aus der Pflegeausbildung gedeckt werden.
"Der Bundesregierung ist die Dramatik der Situation noch nicht klar", konstatierte Anselm. So gebe es aktuell zwar noch genug Personal um den akuten Bedarf an Pflegekräften zu decken, Betroffene müssten aber bereits auf Pflegeplätze warten oder mit Überbrückungshilfen auskommen. Zudem könnten Sozialorganisationen trotz hoher Nachfrage ihre stationären Langzeitpflegeplätze nicht ausbauen, da zu wenig Personal vorhanden sei.
Landau: Existenzsicherung während Ausbildung
Caritas-Präsident Michael Landau appellierte an die Politik, die Finanzierung und das Schließen von Betreuungslücken in der Pflege anzugehen. Es brauche eine Existenzsicherung und Grundversorgung während der Ausbildung, ähnlich wie aktuell bereits bei den Polizeischülern, betonte der Caritas-Präsident. Erforderlich seien zudem eine Ausbildungs- und Jobgarantie für künftige Pflegekräfte, um den Fachkräftebedarf zu decken.
Als weitere Maßnahmen, um den Pflegeberuf attraktiver zu machen, schlug Landau u.a. die Abschaffung von Schulgeld und Studiengebühren in der Pflegeausbildung vor sowie berufsbegleitende Ausbildungsformen und Möglichkeiten für Berufsumsteiger. "Eine Finanzierung und Förderung darf nicht von der Postleitzahl der Auszubildenden abhängen", so Landau. Als positives Beispiel nannte er die im Herbst gestartete Höhere Lehranstalt für Sozialbetreuung und Pflege (HLSP) in Gaming in Niederösterreich. Die fünfjährige Schule schließt mit Matura ab und bietet eine Ausbildung zum diplomierten Sozialbetreuer.
Als besonders schwierig kritisierte der Direktor der Volkshilfe, Erich Fenninger, die finanzielle Hürde für Quereinsteiger in den Pflegeberuf. Diese seien teils von ihren Familien abhängig oder erhielten wenig bis gar keine öffentliche Förderung. Als Lösung schlug Fenninger die Übernahme von Kosten für Ausbildung und Lebensunterhalt für die Dauer der Umschulung vor. Zudem brauche es ein Fachkräftestipendium für Studierende im Pflegbereich. Aktuell kämen viele Interessierte "in der Pflege und Betreuung nicht an, weil sie sich die Umschulung schlicht nicht leisten können", so der Direktor der Volkshilfe.
Moser: Pflege braucht bessere Arbeitsbedingungen
Neben den fehlenden Absolventen gebe es das Problem der "Pflege nach Stoppuhr", meinte die Direktorin der Diakonie, Maria Katharina Moser. "Pflegekräfte leiden unter Stress durch Zeitdruck, Arbeitsverdichtung und eine zu hohe Zahl an Klienten". Als Gründe nannte Moser den schlechten Personalschlüssel, überbordende Bürokratie und unterschiedliche Finanzierungssätze und Berechnungsmethoden je nach Bundesland.
Moser forderte eine transparente Vereinheitlichung der Sätze sowie eine Angleichung der Gehälter. Derzeit würden Beschäftigte im Akutbereich - wie im Krankenhaus - mehr bekommen als jene in der Langzeitpflege.
Auch Karrierechance, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen seien ein "Schlüssel zur Lösung", meinte der Generalsekretär des Roten Kreuzes, Michael Opriesnig. So gebe es auch im Pflegebereich Möglichkeiten zu Fachkarrieren, damit müsse aber eine finanzielle Abgeltung von Zusatzqualifikationen einhergehen. Es reiche nicht aus "den Pflegekräften in Sonntagsreden zu danken", nötig seien Perspektiven.
In der BAG engagieren sich seit 1995 die Trägerorganisationen Caritas, Diakonie, Hilfswerk, Rotes Kreuz und Volkshilfe, um gemeinsame sozialpolitische Anliegen zu artikulieren; etwa die Verbesserung der Rahmenbedingungen für eine menschenwürdige Pflege. Von den österreichweit aktuell rund 60.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Langzeitpflege arbeitet damit laut BAG jeder Dritte in einer Mitgliedsorganisation der Bundesarbeitsgemeinschaft.
(Link: www.freiewohlfahrt.at)
Quelle: kathpress