Lackner: Sterben nicht Kalkül menschlicher Interessen überlassen
Für eine Beibehaltung der aktuellen Rechtslage in Sachen Sterbehilfe hat sich Erzbischof Franz Lackner ausgesprochen. Geburt und Tod verlangten "höchste moralische Standards" und dürften "nicht dem Kalkül allein menschlicher Interessen und Bedürfnisse ausgeliefert werden." Das erklärte der Bischofskonferenz-Vorsitzende in einem jetzt auf der Internetseite lebensende.at veröffentlichten Stellungnahme in Hinblick auf ein beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) laufendes Verfahren zu der Thematik. Anfang und Ende des Lebens würden "in eine andere Wirklichkeit" weisen und seien "einzigartige Momente, in denen das Leben als Gabe sichtbar wird", betonte Lackner.
Für kommenden Donnerstag haben die heimischen Höchstrichter in Wien eine öffentliche mündliche Verhandlung angesetzt. Dabei geht es um vier beim VfGH mit Unterstützung des Schweizer Sterbehilfe-Vereins Dignitas eingebrachte Anträge, wonach die bestehenden Paragrafen 77 und 78 des Strafgesetzbuches - es geht dabei um "Tötung auf Verlangen" und "Beihilfe zum Suizid" - gelockert werden sollen. Nachdem im Februar dieses Jahres das deutsche Bundesverfassungsgericht das Verbot der "geschäftsmäßigen Beihilfe" zum Suizid gekippt hatte, stand das Thema im Juni auf der Agenda des VfGH, wurde dann aber auf den Herbst verschoben.
Noch eindringlicher als Erzbischof Lackner mahnt auch die Österreichische Ordenskonferenz zur Beibehaltung der geltenden Rechtslage: "Sterben ist kein Geschäftsmodell!", heißt es in einer aktuellen Stellungnahme der Konferenzvorsitzenden Erzabt Korbinian Birnbacher und Sr. Franziska Bruckner. Sie verweisen auf die christliche Überzeugung, wonach Lebensbeginn und -ende "in Gottes Hand" seien und nicht zum "Spielball ökonomisch orientierter Unternehmen oder pseudo-humanistischer Argumentation werden" dürften. Birnbacher und Bruckner betonen dazu auch den von Kardinal Franz König (1905-2004) formulierten "österreichischen Konsens", wonach Sterben "an der Hand, nicht durch die Hand eines Menschen" erfolgen soll.
Es sei kaum abschätzbar, wie im Falle einer Lockerung des bestehenden Verbots aktiver Sterbehilfe später "aus dem Sterben-Dürfen ein Sterben-Müssen" werde, schreiben die Ordenskonferenz-Vorsitzenden in der auf der Website der heimischen Ordensgemeinschaften veröffentlichten Erklärung. Naheliegend sei jedoch, dass durch die juristische Öffnung auch ökonomische Wünsche von Angehörigen oder persönlicher Erwartungsdruck eine Rolle spielen könnten.
Etliche der von der Ordenskonferenz vertretenen 192 Ordensgemeinschaften würden Hospize sowie Krankenhäuser betreiben, erinnern Bruckner und Birnbacher. In der Praxis zeige sich, dass die bestehende Gesetzeslage ausreiche, um schwierigen Situationen mit viel Empathie und mit pflegerischer und medizinischer Kompetenz in der Palliativmedizin zu begegnen.
Schönborn-Sprecher: Töten immer inhuman
Auf Folgeerscheinungen einer möglichen Aufweichung des Sterbehilfe-Verbots weist auch der Sprecher von Kardinal Christoph Schönborn, Michael Prüller, in der aktuellen Ausgabe der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag" hin: "Heute verlassen wir uns noch darauf, dass uns mit allen Mitteln ins Leben geholfen wird, wenn uns etwas zustößt oder wir schwer krank werden. Aber wenn das Töten einmal Routinebehandlung geworden ist - welchen Wert hat dann noch mein Leben überhaupt?" So nachvollziehbar der Wunsch nach dem Töten auch sei, er sei zerstörerisch und das Töten "immer inhuman", da es auch den Durchführenden "etwas von seinem Menschsein nimmt". Prüller stellt fest: "Ein bisschen töten gibt es nicht."
Stelle man zudem das Töten auf Verlangen straffrei, so bleibe es nie dabei. Anfangs gedacht nur für die, "deren Leben als Hölle gesehen wird" - etwa bei unerträglichen Schmerzen und fehlender Heilungsaussicht - könne man in Ländern mit liberaler Regelung immer laxer werdende Kriterien beobachten. "Was ist unerträglich? Was Heilung? Am Ende darf man dann wie in Belgien Kinder oder wie in den Niederlanden Demente töten", so Prüller. Zudem sorge eine Lockerung auch für steigenden Druck auf Ärzte, Angehörige und zur Rechtfertigung für ein Weiterleben gezwungene Betroffene selbst, nach dem Motto: "Wer wird denn da so egoistisch oder so unvernünftig sein wollen, unbedingt weiterzuleben?"
Evangelischer Theologe: Solidarität statt Spritze
Auch auf evangelischer Seite mehren sich Warnungen vor einer Lockerung des Verbots aktiver Sterbehilfe oder des assistierten Suizids. Nach Oberösterreichs Superintendent Gerold Lehner, der sich in der Vorwoche gemeinsam mit Bischof Manfred Scheuer und den Spitzen der anderen christlichen Kirchen strikt dagegen aussprach, fordert auch der reformierte Theologe Ulrich Körtner: "Sterbende brauchen Solidarität, nicht die todbringende Spritze."
Durch organisierte Suizidbeihilfe werde "aus möglichen Grenzfällen ein regelhaftes, institutionalisiertes Handeln". Doch könnten Grenzfälle "nicht vorweggenommen werden" und würden auch darin Grenzfälle bleiben, "dass sich aus ihnen keine verallgemeinerbare Regel ableiten lässt, die als ethische oder als Rechtsnorm kodifiziert wird", so der Vorstand des Instituts für Systematische Theologie und Religionswissenschaft der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.
Moraltheologe Virt gegen "Beihilfe-Mithilfe-Nachhilfe"
Für eine Beibehaltung der aktuellen österreichischen Gesetzeslage plädiert auch der katholische Moraltheologe Günter Virt. Eine klare Entscheidung sei vonnöten, ob die Gesellschaft in die Richtung einer "Beihilfe-Mithilfe-Nachhilfe zum Suizid" oder aber eines "klaren Schutzes des grundlegenden Gutes des Menschenlebens auch in schwierigen Situationen" gehen solle, schreibt er in der dieswöchigen Ausgabe der Wochenzeitung "Die Furche". Er selbst habe schon mehrere Menschen nach Suizidversuchen begleitet, so der Theologe. "Die Mühe, zu helfen, das Leben der Betroffenen neu zu ordnen, hat sich oft gelohnt. Die meisten Menschen, die einen Suizidversuch unternehmen, sterben nicht an Suizid."
(Info: Die Website www.lebensende.at gibt einen Überblick über die österreichische Rechtslage und auch die Möglichkeit, sich für deren Erhalt auszusprechen.)
Quelle: kathpress