Khorchide fordert mehr Wachsamkeit gegenüber Politischem Islam
Mehr Wachsamkeit gegenüber dem sogenannten "politischen Islam" fordert der österreichische Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide. In Deutschland überlasse man das Thema mehr oder weniger den Sicherheitsbehörden. "Das halte ich für falsch", da der Politische Islam schon in die Mittelschicht vorgedrungen sei, kritisierte Khorchide am Freitag im Interview mit der deutschen Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Anders sei dies in Österreich, das als eines der ersten Länder in Europa, die Bedrohung der freien Gesellschaft durch den Politischen Islam erkannt habe, so der Professur für Islamische Religionspädagogik in Münster.
Laut Medienberichten vom Freitag wird Khorchide den wissenschaftlichen Beirat der österreichischen "Dokumentationsstelle Politischer Islam" leiten, dessen Führungsposten Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) nun besetzt hat. Laut "Kronen Zeitung" wird Lisa Fellhofer, bisher für Wissensmanagement und Internationales beim Integrationsfonds zuständig, die neu gegründete Dokumentationsstelle leiten.
Im Insgesamt achtköpfigen Beirat sind nationale wie internationale Expertinnen und Experten vertreten: Susanne Schröter vom Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam, der US-Extremismusforscher Lorenzo Vidino, der deutsche Jurist Mathias Rohe, die Wiener Religionswissenschafterin Handan Aksünger-Kizil, der Historiker Heiko Heinisch, der Linzer Jurist Herbert Kalb, der Integrationsexperte Kenan Güngör und die Schweizer Politikwissenschafterin Elham Manea.
Als erste Aufträge der neuen Einrichtung nannte Raab bei der Präsentation der neuen Dokumentationsstelle Anfang Juni u.a. den Kampf gegen den politischen Islam, die Erforschung, Dokumentation und Information über religiös motivierten Extremismus sowie über die entsprechenden Vereinsstrukturen.
Die im türkis-grünen Regierungsprogramm als "unabhängige staatlich legitimierte" angekündigte Dokumentationsstelle wurde von der Regierung als unabhängiger Bundesfonds eingerichtet und erhielt eine Startfinanzierung von 500.000 Euro aus Mitteln des Integrationsministeriums. Als Vorbild wurde mehrmals das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) genannt. "Die ÖVP von Bundeskanzler Sebastian Kurz legt hier den Finger in eine Wunde und hat die Dokumentationsstelle im Koalitionsvertrag mit den Grünen verankert", meinte dazu Khorchide im KNA-Interview.
Khorchide: "Politischer Islam" ist Ideologie
Laut dem Islamwissenschaftler, der u.a. an der Forschungseinheit Islamische Religionspädagogik der Universität Wien lehrte, sind die Strukturen des "politischen Islam" noch zu wenig erforscht. Es handle sich dabei um eine Ideologie, "die den Islam nicht als spirituelle Angelegenheit des Einzelnen sieht, sondern als Herrschaftssystem mit der Absicht, die Gesellschaft entsprechend solchen Werten umzugestalten, die im Widerspruch zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen".
Ihre Vertreter gäben sich zwar nach außen verfassungstreu, so der Islamwissenschafter. "Sie verurteilen Gewalt, befürworten Integration und die Teilnahme der Muslime am gesellschaftlichen Leben. Aber nach innen predigen sie die Abgrenzung von den 'Ungläubigen' und ihren 'unislamischen Werten'." Zu den Akteuren zählt Khorchide vor allem die arabisch geprägten Muslimbrüder und türkisch-nationalistische Organisationen.
Kritik von IGGÖ
Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) hatte die Regierung für die Ankündigung der Dokumentationsstelle bereits im Juli scharf kritisiert, weil sie sich ausschließlich um den "politischen Islam" und nicht auch um andere Formen des Extremismus kümmern soll. Die Bezeichnung sei "ungenau und undefiniert" und deute nicht darauf, dass sich die neue Einrichtung "sinnvollerweise jeglichem religiös motivierten politischen Extremismus" zuwenden werde, kritisierte die Glaubensgemeinschaft.
Die Schaffung einer Dokumentationsstelle für "Antisemitismus, religiös motivierten politischen Extremismus und Rassismus im 21. Jahrhundert" würde man hingegen begrüßen man, hieß es im Juli von Seiten der IGGÖ, die nicht im wissenschaftlichen Beirat der Dokumentationsstelle eingebunden ist.
Quelle: kathpress