Fischler: Folgen der Corona-Krise solidarisch bewältigen
Angesichts der Corona-Krise muss die Europäische Union nach den Worten des früheren Ministers und EU-Kommissars Franz Fischler dringend selbstbewusster auf globale Geschehnisse reagieren und eigene Initiativen setzen. "Zuwarten verschärft die Probleme und macht sie teilweise unumkehrbar", mahnte der Ex-Politiker am Mittwochabend bei der "Akademie am Dom" der Wiener Theologischen Kurse. Europa habe durchaus die Voraussetzungen, um ein Global Player zu sein - allerdings nur dann, "wenn es gemeinsam auftritt und Leadership zeigt, statt sich nationalistischen Partikularinteressen hinzugeben", mahnte der Präsident des Europäischen Forums Alpbach zu einer solidarischen Bewältigung der aktuellen Krise.
Die Corona-Pandemie habe den Interessen der EU einen "Rückschlag" eingebracht, zog Fischler Zwischenbilanz. So habe es Maßnahmen ohne Abstimmung mit anderen gegeben und zeitweilig auch geschlossene Grenzen. Zudem hatten EU-Regeln plötzlich keine Geltung mehr und seien durch nationalstaatliche Maßnahmen ersetzt worden. "Die EU war verschwunden", bedauerte der ehemalige EU-Kommissar für Landwirtschaft, Entwicklung des ländlichen Raumes und Fischerei.
Die Welt warte nun auf Initiativen der EU, meinte Fischler. So brauche es etwa "Taten" in Hinblick auf Diskussionen, Zielkatalogen und Absichtserklärungen zu Bereichen wie Klimawandel, Migration, internationalen Konflikten, Künstlicher Intelligenz und wachsende Ungleichheit.
Es gelte auch, selbstbewusster auf globale Geschehnisse zu antworten und Beziehungen zu den globalen Partnern der EU zu vertiefen, so der ÖVP-Politiker in seinem bloß Stunden nach der Rede zur Lage der EU von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor dem Europaparlament angesetzten Vortrag. Wie seine deutsche Politikerkollegin betonte Fischler, dass es einen verschärften Klimaplan brauche, aber auch eine gemeinsame europäische Asylreform.
Als Risiko für Europa bezeichnete Fischler neben der Covid-19-Pandemie aber auch die Unberechenbarkeit des "bisherigen Hegemon USA", der seine Führungskraft eingebüßt habe. Nun müsse ein "starkes Europa der wachsenden wirtschaftlichen Einflussnahme Chinas im Westen etwas entgegenhalten". Bürokratie, neuer Nationalismus sowie alte Ängste um Einfluss und Vormacht innerhalb der Union könnten dem aber entgegenstehen, warnte der ehemalige Präsident des Ökosozialen Forums. Der EU drohe damit nicht nur die Marginalisierung zwischen den USA und China, sondern auch eine Zerreißprobe zwischen ihren Mitgliedern.
Akademie-Fokus Pandemie
"Im Brennpunkt: Covid 19" - mit dieser neuen vierteiligen Vortragsreihe will die Wiener "Akademie am Dom" an "Verdrängtes erinnern und Verschleiertes aufdecken", und zwar "problemorientiert und kritisch", hieß es seitens der Veranstalter. Neben Fischler und der Wiener Pastoraltheologin Regina Polak (24. September, über "Corona: Neue (Un-)Ordnung in der Kirche?") werden auch junge Wissenschaftlerinnen und Aktivisten referieren.
So präsentiert etwa am 23. September Saskia Löser von der Universität Graz das Forschungsprojekt "Glauben leben in Corona-Zeiten" und stellt dabei u.a. Forschungen zum konkreten spirituellen und gottesdienstlichen Leben während der Corona-Krise vor. Den Abschluss der Reihe bilden der oberösterreichische Landesrat Stefan Kaineder und "Fridays For Future"-Aktivist Simon Pories, die als Duo unter dem Titel "Was wollen die Jungen - in der Klimakrise" klimapolitische Themen ansprechen werden. (Infos: www.akademie-am-dom.at)
Quelle: kathpress