Schönborn: "Mann des Ausgleiches" seit 25 Jahren Kardinal
Ich war einmal der jüngste Bischof Österreichs, jetzt bin ich der älteste im Amt.
Mit diesen Worten hat Kardinal Christoph Schönborn - seit 25 Jahren Wiener Erzbischof - seinen aktuellen Status beschrieben. Inzwischen hat Schönborn - gemäß dem Kirchenrecht - anlässlich seines 75. Geburtstages - beim Papst seinen Rücktritt eingereicht, bleibt aber bis zur Bestellung eines Nachfolgers im Amt. Der ORF würdigte das Amtsjubiläum in einem Beitrag in der Religionssendung "Orientierung" mit einem Interview mit Kardinal Schönborn am Sonntag.
Am 14. September 1995, übernahm der damals 50-jährige Christoph Schönborn das Amt des Erzbischofs der Erzdiözese Wien. Sein Wahlspruch ist ein Christuswort aus dem Johannesevangelium und lautet "Euch aber habe ich Freunde genannt". Die Amtsübernahme 1995 erfolgte in turbulenten Zeiten: Die Vorwürfe gegen seinen Vorgänger Kardinal Hans-Hermann Groer und das Kirchenvolks-Begehren standen am Beginn von seiner Amtszeit. "Wenn ich zurückdenke, bin ich immer wieder überrascht und beeindruckt, wie viel passiert ist in diesen 25 Jahren", so das Fazit Schönborns über seine Amtszeit in der größten Diözese der katholischen Kirche Österreichs.
Dass die Kirche in Österreich trotz bestehender Herausforderungen heute in einem ruhigeren Fahrwasser unterwegs ist, schreiben viele Beobachter auch Christoph Schönborn zu. Es sei ihm gelungen mit "Diplomatie, die Kirche aus dieser schweren Krise herauszuführen", würdigte auch die Sendung "Orientierung". Politikwissenschaftler und -experte Anton Pelinka bezeichnete Schönborn darin zudem innerkirchlich als "Mann des Ausgleiches", der auch Konflikte mit der Politik zu vermeiden gewusste habe.
Aktuelle Themen Schönborns zählten derzeit der Klimawandel und die wachsende Immigration. Zu letzterem meinte der Kardinal im ORF-Interview, dass "die Priester und Gläubigen zumindest zu einem Drittel und ich vermute wahrscheinlich mehr, einen Migrationshintergrund haben". Auch er selbst bezeichnete Migration als Teil seines Lebens, da seine Mutter aus Brünn und sein Vater aus Pilsen stammen; "ein echter Wiener" also, so der Kardinal.
Als "mutigen Schritt" bezeichnete die ORF-Sendung den von Schönborn am 1. Dezember 2017 gefeierten konfessionsübergreifenden Gedenkgottesdienst zum "Welt Aids Tag" - in Anwesenheit von "Life Ball"-Organisator Gery Keszler; den Schönborn einen "nachdenklichen und engagierten Menschen" nannte. "Wenn wir einander wirklich als Menschen begegnen, dann schmelzen die Vorurteile hoffentlich", meinte der Wiener Erzbischof.
Offen und ungelöst geblieben sei in Schönborns Amtszeit jedoch die Frage der Rolle von Frauen in der Kirche. Zwar habe der Kardinal Führungspositionen mit Frauen besetzt, die Weihe von Frauen könne aber nur auf Ebene der Weltkirche gelöst werden, so der ORF-Beitrag. Positiv hob Angelika Ritter-Grepl, Vorsitzende der Katholischen-Frauenbewegung Österreichs, hervor, dass sich Schönborn vor allem während der Amazonien-Synode für das Thema im Sinne der Frauen aktiv und "dem möglichen Wandel, der damit zusammenhängen kann" eingebracht habe. Es sei jedoch eine Frage der Zeit, "dass Frauen gleichberechtigt mit Männern ihre Dienste versehen". Diese Zeit werde zwar kommen, dafür brauche es aber "einen strukturierten Prozess", forderte Ritter-Grepl, die sich zuversichtlich zeigte. Sie hoffe, dass auch der nächste Kardinal beim Thema Frauen und Geschlechtergerechtigkeit "weitere Schritte geht".
Schönborns Nachfolger noch offen
Nachdem Österreichs höchstrangiger katholischer Geistlicher im Jänner das Pensionsalter erreicht und seinen Rücktritt eingereicht hatte, verlängerte der Vatikan seine Amtszeit auf unbestimmte Zeit. "Ich mache meinen Dienst gerne und mit Freude, und ich glaube es ist gut mit 75 oder 76 - wann es sein wird - an einen Jüngeren die Leitung der Erzdiözese Wien übergeben zu können", sagte dazu der Kardinal wörtlich.
Die "Beruhigung nach Innen und Vermeidung von Konflikten nach Außen hin" müsse als eine Art "Erbe" auch von seinem Nachfolger beachtet werden, meinte Politikexperte Pelinka über die noch offene Nachfolge Schönborns. Der künftige Erzbischof von Wien, "wer immer es auch sein mag", werde auch bei den Themen Globalisierung, Migration sowie dem mangelnden Priesternachwuchs "besonders gefordert" sein, lautete die Prognose des Politikwissenschaftlers.
Seinem Nachfolger wünschte Schönborn vor allem "Augenmaß, Herzensgröße und Herzensweite, einen tiefen Glauben, eine starke Hoffnung und eine unerschütterliche Liebe". Er habe zudem vor "weiter im Dienst der Menschen zu sein, auch wenn ich nicht mehr im Amt bin", betonte der Wiener Erzbischof abschließend.
Jubiläum im Rahmen der Chrisammesse
Auf Wunsch des Erzbischofs gibt es keine große Jubiläumsfeier. Ein Gedenken an das Jubiläum findet während der sogenannten Chrisammesse statt, die am Montag, dem 14. September, abends im Stephansdom gefeiert wird. In der sonst in der Karwoche stattfindenden und wegen Covid-19 heuer in den September verschobenen Chrisammesse weiht der Erzbischof die Heiligen Öle (Chrisam ist ein wohlriechendes Salböl), die im Laufe des Jahres für Priester- und Diakonweihen, Taufen, Firmungen und die Krankensalbung verwendet werden.
Ein Mitfeiern der Messe ist ab 18.00 Uhr über Livestream möglich: https://www.erzdioezese-wien.at/chrisammesse2020. Zudem überträgt "radio klassik Stephansdom" über UKW (107,3) und digital über DAB+ die Messe live.
Quelle: kathpress