Telefonseelsorge: Suizidprävention in Zeiten von Corona
Die Corona-Pandemie stellt viele Menschen auf eine "harte Probe", sie sorgt für existenzielle Sorgen, Zukunftsängste und weniger soziale Kontakte. "Manche sehen keinen Ausweg mehr und wollen nicht mehr leben", haben am Mittwoch Experten bei einer Pressekonferenz der "Telefonseelsorge OÖ - Notruf 142" der Diözese Linz anlässlich des Weltsuizidpräventionstags am 10. September gewarnt. Der 2003 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der International Association for Suicide Prevention (IASP) ausgerufene Tag soll zur Enttabuisierung des Themas Suizid beitragen und für die oftmals versteckten seelischen Nöte sensibilisieren. Die katholische Kirche erinnert an diesem Tag bei speziellen Gedenkfeiern in Wien und St. Pölten auch all jener Menschen, die durch Suizid gestorben sind.
Die Corona-Krise und die damit einhergehenden Maßnahmen des Lockdowns hätten für viele Menschen eine Potenzierung ihrer Probleme bedeutet, erläuterte die Leiterin der Telefonseelsorge OÖ, Silvia Breitwieser. Ersichtlich wurde dies im massiven Anstieg der Beratungsgespräche von März bis Mai via Telefon, E-Mail oder Chat Kontakt. Das Angebot der anonymen Beratung stelle für Betroffene eine Art "Leuchtturm in diesen stürmischen Zeiten" dar.
Die Anonymität mache es zudem leichter, über Suizidalität zu sprechen, zudem entlaste es, über die eigene Notlage reden zu können, da sich Betroffene schämen würden, niemanden belasten wollten oder sich unverstanden fühlten. Auch Angehörige bräuchten Unterstützung, da es die Angst gebe, "etwas Falsches zu sagen", oder Überforderung mit der Situation, so die Telefonseelsorge OÖ.
Auch wenn sich die Suizidrate in Österreich seit Mitte der 1980er-Jahre in Österreich fast halbiert habe, würden in Österreich dennoch täglich drei bis vier Menschen durch Suizid sterben, erläuterte Thomas Kapitany, Geschäftsführer und ärztlicher Leiter des Kriseninterventionszentrums Wien. "Männer sind besonders betroffen und machen drei Viertel der Suizidtoten aus. Zehn- bis 20-mal häufiger kommt es zu Suizidversuchen, besonders im jüngeren Lebensalter", so der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin. Das Risiko, an einem Suizid zu versterben, nehme jedoch mit dem Alter zu.
Die Experten riefen dazu auf, das Motto des heurigen Suizidpräventionstages "Lasst uns reden" bei Notsignalen anzuwenden. Suizidgedanken oder -absichten sollten immer ernst genommen werden und seien ein Notsignal für den Leidensdruck der Betroffenen. Auch für Angehörige können solchen Situationen eine emotionale Entlastung darstellen; sie sollten sich daher ebenfalls Hilfe holen, falls die Auseinandersetzung mit suizidalen Menschen belastend werde, riet die Telefonseelsorge.
Hilfe für trauernde Angehörige bietet etwa der Mobile Hospizdienst oder auch die "Kompetenzstelle Trauer" der Caritas St. Pölten an. Am 10. September findet dazu im St. Pöltner Bildungshaus St. Hippolyt eine eigene Gedenkfeier für durch Suizid Verstorbene statt, bei der Erinnerungsrituale, Segensspendung und die Möglichkeit zum Gespräch geplant sind. Eine ähnliche Gedenkfeier findet am selben Tag um 18 Uhr in der Wiener Votivkirche statt.
Erreichbar ist die Telefonseelsorge österreichweit rund um die Uhr unter der Nummer 142. Online-Hilfsangebote gibt es darüber hinaus unter www.onlineberatung-telefonseelsorge.at. Das Angebot ist vertraulich und kostenlos.
Quelle: kathpress