Flüchtlingslager Moria brennt: Appelle der Hilfsorganisationen
Das Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Ägäisinsel Lesbos ist nach dem Ausbruch mehrerer Brände in der Nacht auf Mittwoch fast vollständig niedergebrannt. Klaus Schwertner, Generalsekretär der Caritas der Erzdiözese Wien, appelliert nun an die EU-Mitgliedstaaten wie Österreich, Lehren aus der Katastrophe zu ziehen und rasch zu helfen. Moria sei zum "Sinnbild eines beschämenden Umgangs Europas mit schutzsuchenden Menschen" geworden, kritisierte Schwertner in einer Aussendung am Mittwoch. Gemeinsam mit "Ärzte ohne Grenzen" und dem Roten Kreuz forderte die Caritas Österreich die Bundesregierung am Mittwoch auf, Kinder, Kranke und besonders Schutzbedürftige nach Österreich zu holen, auch die Diakonie schlug angesichts der akuten Not öffentlich Alarm.
"Was wir jetzt brauchen, ist ein Korridor der Menschlichkeit", so der Tenor der Hilfsorganisationen. Nötig sei eine gemeinsame europäische Lösung und Solidarität mit den Menschen, "die seit Jahren in menschenunwürdigen Zuständen leben müssen", mahnte Andreas Knapp, Generalsekretär für internationale Programme der Caritas Österreich. Auch die evangelische Diakonie appellierte an die Regierung Schutzsuchende von Moria zu evakuieren und aufzunehmen.
"Auch wenn noch unklar ist, durch wen dieser folgenschwere Brand gelegt worden ist, feststeht: Europa hat diese Katastrophe seit vielen Monaten sehenden Auges in Kauf genommen", kritisierte Klaus Schwertner, der Moria heuer bereits besucht hatte. Umso wichtiger sei es nun zu helfen, "sonst liegt nicht nur dieses Lager, sondern bald auch das Asylrecht und die Genfer Flüchtlingskonvention in Schutt und Asche".
Auch Österreich müsse einen stärkeren Beitrag leisten als bisher, und Familien mit Kindern und alte und pflegebedürftige Menschen "in vertretbarer Zahl" aufnehmen, so Schwertner. Als Vorbilder nannte er Länder wie die Schweiz, Portugal, Großbritannien, Deutschland oder Belgien.
Schwertner verwies auch auf österreichische Städte und Gemeinden, die bereits ihre Bereitschaft signalisierten, Familien und Kinder aus Moria aufzunehmen. Neben Wien nannte er u.a. Lustenau, Sautens in Tirol oder Bad Ischl.
Chalupka: Moria "Katastrophe mit Ansage"
Als eine "Katastrophe mit Ansage" bezeichnete der evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka den Brand im Flüchtlingslager Moria. Chalupka rief wie auch Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser die österreichische Bundesregierung dazu auf, Verantwortung zu übernehmen. Österreich solle sich "am Konzert der europäischen Staaten, die eine Tradition der Hilfsbereitschaft haben", zu beteiligen, so Chalupka wörtlich.
Moser kritisierte Moria als "Inbegriff des Totalversagens der europäischen Flüchtlingspolitik". Das Flüchtlingslager auf der Insel Lesbos sei jedoch nur eines von fünf EU-Hotspots in Griechenland, ursprünglich eingerichtet, um in der EU ankommende Asylsuchende zu registrieren und dann rasch auf die EU-Mitgliedsstaaten aufzuteilen. Aktuell soll es laut Diakonie für rund 42.000 Menschen - über die Hälfte sind Frauen, Kinder und Jugendliche - kein Weiterkommen geben. Mittlerweile habe dies zu einer "verzweifelten Lage der Menschen" geführt. Sogar Kinder würden sich das Leben nehmen, berichtete das evangelische Hilfswerk.
Hilfsorganisationen starten Nothilfe
Mithilfe der Partnerorganisation "Stand by Me Lesvos" startet die Diakonie aktuell erste Nothilfe-Aktivitäten für die vom Brand betroffenen Menschen. Auch die Caritas hat zuletzt in Griechenland mehr als 20.000 Hilfspakete mit Hygieneartikeln, Babynahrung, Decken, Schlafsäcken und anderen Hilfsgütern für Schutzsuchende ausgegeben. Nun brauche man aber dringend Spenden, um diese Hilfe kurz-, mittel- und langfristig sicherstellen zu können, informierte Schwertner.
In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch brannten große Teile des griechischen Camps nieder, in dem zuletzt mehr als 12.000 Menschen lebten - mehr als das Vierfache der zugelassenen Kapazität, die bei ursprünglich 2.800 Plätzen lag. Tausende Menschen sollen sich laut Berichten vor den Flammen in Sicherheit gebracht haben; Berichte über Verletzte oder Tote gibt es noch nicht.
Die Zustände in vielen griechischen Flüchtlingslagern seien seit Langem dramatisch, die hygienischen Zustände katastrophal, erinnerte die Caritas. So sei u.a. der Zugang zu sauberem Trinkwasser und zu medizinischer Versorgung nicht gewährleistet gewesen. Dem Brand waren zuletzt Proteste von Geflüchteten gegen ihre inhumane Unterbringung und Versorgung sowie gegen unzureichende Maßnahmen zum Schutz vor Covid-19 vorausgegangen. In den letzten Tagen war auch ein Anstieg der Corona-Fälle in Moria zu verzeichnen, das daraufhin abgeriegelt wurde.
(Spenden: Caritas Spendenkonto: IBAN: AT92 6000 0000 0770 0004, Kennwort: "Flüchtlingshilfe Griechenland"; Diakonie: IBAN: AT85 2011 1287 1196 6333, Kennwort: "Flüchtlingshilfe Griechenland")
Quelle: kathpress