Sterbehilfe: Familienverband gegen "Geschäft mit dem Tod"
"Das Geschäft mit dem Tod kann keiner wollen!" Diesen Konsens zweier sonst durchaus unterschiedlich ausgerichteter Stellungnahmen zum Thema Sterbehilfe hat der Katholische Familienverband Österreichs (KFÖ) in seiner Mitgliederzeitung "ehe & familien" (Ausgabe 3/202) publiziert. Im Hinblick auf eine anstehende Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes über eine mögliche Lockerung des Verbotes der Sterbehilfe äußerte dazu Franz-Joseph Huainigg, früherer ÖVP-Behindertensprecher und jetzt im Vorstand der "Aktion Leben" tätig, dazu ein klares Nein. Ein "nachdenkliches Pro-Statement" schrieb Eva-Maria Kaiser, ORF-Journalistin und stv. Vorsitzende des Verbands Katholischer Publizistinnen und Publizisten.
Den Rahmen der Debatte steckte der KFÖ im Einleitungstext zu den beiden Statements ab: Zur Frage, ob assistierter Suizid - wie etwa zuletzt in Deutschland - unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt werden soll - liege im VfGH ein Antrag vor, mit dem sich das Höchstgericht noch im September befassen werde. Der KFÖ als größte Familienorganisation Österreichs vermisst trotz der Brisanz des Themas eine breite öffentliche Debatte. Mit "zwei unterschiedlichen Meinungen aus katholischen Kreisen" solle dem entgegengewirkt werden, hieß es in "ehe & familien".
"Österreichischen Weg" weitergehen
"Der Wunsch zu sterben hängt meistens mit Perspektivlosigkeit, Schmerzen und Einsamkeit zusammen und muss daher als Hilferuf für eine Verbesserung der Lebenssituation gesehen werden", stellt der selbst auf den Rollstuhl angewiesene Franz-Joseph Huainigg fest. Der Ex-Politiker erinnerte an den Konsens aller Parlamentsparteien im Zuge der Enquete "Würde am Ende des Lebens" im Jahr 2015, dass in Österreich die Palliativ- und Hospizbetreuung weiter ausgebaut werden soll. Am Verbot der Sterbehilfe solle hingegen festgehalten werden.
"Diesen österreichischen Weg halte ich für notwendig weiterzugehen", betonte Huainigg. Wenn Sterbehilfe für Ausnahmefälle erst einmal eingeführt ist, steige die Zahl der assistierten Suizide immer mehr, warnte er. "Aus dem Recht auf selbstbestimmtes Sterben werde für manche Menschen schnell die vermeintliche Pflicht, anderen nicht zur Last zu fallen. "Hilfe zur Selbsttötung sollte keine Antwort sein auf Not und Verzweiflung, auf Ängste und Sorgen", so der Appell Huaniggs.
Die in Österreich "erfreulich hoch entwickelte Palliativmedizin" und deren Möglichkeiten, Leiden am Ende des Lebens einzudämmen, würdigte auch Eva-Maria Kaiser. "Doch was, wenn jemand sein Ende selbst bestimmen möchte, angesichts einer unheilbaren Krankheit; weil man im Alter des Lebens überdrüssig ist?" Der deutsche Verfassungsgerichtshof habe heuer das Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben als "Ausdruck der persönlichen Autonomie" neu bewertet. "Das ist schön formuliert und passt für eine moderne säkulare Gesellschaft", befand die katholische Publizistin. Denn "nicht jeder mag an einen obersten Hüter über Leben und Tod glauben". Die politische Debatte, wie der assistierte Suizid konkret in einen Gesetzestext gegossen wird, habe in Deutschland gerade erst begonnen. "Auf ein enges Korsett ist zu hoffen, auch im Hinblick auf Österreich", schrieb Kaiser. "Denn trotz aller Autonomie des modernen Menschen: Das Geschäft mit dem Tod kann keiner wollen."
Fachleute: Todeswünsche relativieren
Am Montag äußerte sich die Österreichische Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik (ÖGPP) zum Thema und forderte umfassende Suizidprävention statt "assistierten Suizid". Fremde Hilfe, um einen Suizid durchzuführen, sei "inakzeptabel", aktuelle Tendenzen zu einer Legalisierung seien besorgniserregend.
Psychiater seien in ihrer täglichen Arbeit häufig mit Todeswünschen von Patienten konfrontiert. "Im gesellschaftlichen Diskurs wird allerdings oft ausgeblendet, dass der Wunsch zu sterben üblicherweise keine endgültige Entscheidung ist, sondern als Ausdruck von Angst und Ambivalenz in hohem Maße fluktuiert", so die ÖGPP. Todeswünsche könnten u.a. auch Ausdruck behandelbarer seelischer Erkrankungen wie Depressionen sein.
Quelle: kathpress