EU-Grenzschutz und Flüchtlingsaufnahme keine Gegensätze
Der Schutz der EU-Außengrenzen und die kontrollierte Aufnahme von Flüchtlingen müssen keine Gegensätze sein. Davon hat sich Caritas Wien-Generalsekretär Klaus Schwertner am Mittwochabend auf krone.tv überzeugt gezeigt. In der Live-Diskussion "Brennpunkt" mit Bundeskanzler Sebastian Kurz und dem Migrationsforscher Gerald Knaus betonte Schwertner die Kernaufgabe der Caritas, "Menschen zu helfen". So sei es nach wie vor wichtig, das Handeln der Politik auf Übereinstimmung mit der Menschenrechtskonvention zu kontrollieren.
Schwertner zeigte sich einmal mehr von den verheerenden Zuständen in den griechischen Flüchtlingslagern, besonders in Moria auf Lesbos, betroffen. Er sprach sich auch wieder für die Evakuierung der griechischen Lager aus. Es gebe in Österreich genügend Bereitschaft, auch unter ÖVP-Bürgermeistern, begrenzt Menschen aufzunehmen, so der Caritas-Generalsekretär: "Nicht nur Wien steht zur Verfügung, auch Bürgermeister der ÖVP - etwa in Lustenau, in Neumarkt oder Klosterneuburg - haben hier Bereitschaft signalisiert." Es müsse um beides gehen:
Wir sollen Grenzen und wir müssen Menschen schützen. Das darf kein Widerspruch sein.
Kanzler Kurz bekräftigte hingegen die österreichische Position, keine Flüchtlinge aus Griechenland aufzunehmen. Die Forderung der Opposition, 100 Flüchtlingskinder aus dem Lager in Moria in Österreich aufzunehmen, sei "jetzt vor dem Wahlkampf eher ein populistischer Ansatz", sagte Kurz auf Nachfrage. So würden NEOS und SPÖ mit ihrem Antrag nur Stimmung gegen die ÖVP machen wollen, sagte Kurz. Er erinnert zugleich an das Leid vieler anderer Kinder auf der Welt, die von der Opposition nicht erwähnt werden würden.
Im Blick auf die Situation in Griechenland oder angesichts der Millionen Schutzsuchenden in der Türkei, dürfe sich Europa vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nicht erpressen lassen, so der Kanzler. Dieser würde flüchtende Menschen als Waffe missbrauchen. "Wenn wir gegenüber Erdogan und der Türkei nachgeben, dann gute Nacht, Europa", so der Kanzler wörtlich.
Einig waren sich Schwertner und Kurz in ihrer Ablehnung jeglicher politischen Instrumentalisierung des Asylthemas bzw. des gegenseitigen Ausspielens von Flüchtlings- und Sicherheitsthemen. Freilich warfen sich beide gegenseitig vor, genau das zu tun.
Herausforderung Integration
Österreich habe 2015 gemeinsam mit Deutschland und Schweden europaweit die meisten Flüchtlinge aufgenommen, betonte Kurz mehrmals. Nach wie vor seien die Herausforderungen, diese zu integrieren, groß. Das Glas ist diesbezüglich - wie die Diskussion zeigte - halb voll und halb leer zugleich: Kurz betonte, dass von den 2015 nach Österreich Gekommenen die Hälfte arbeitslos und vom Sozialstaat abhängig sei; Schwertner wies darauf hin, dass knapp die Hälfte inzwischen Arbeit habe und für sich selber sorge. Er wolle in diesem Zusammenhang auch der Zivilgesellschaft seinen Dank aussprechen, "den Gemeinden, den Pfarren, den vielen Freiwilligen, die sich bei der Integration der Menschen engagierten und engagieren".
Geordnete Verfahren, Hilfe vor Ort
"Die Lösung besteht darin, die Menschen dort zu unterstützen, wo sie sind. Aber es ist auch wichtig, Leute in einem geordneten Verfahren aufzunehmen und die zurückzuschicken, die keinen Schutz brauchen. Dieses System wurde leider für sechs Monate nicht angewandt", so Gerald Knaus mit Blick auf Griechenland.
Der Migrationsexperte plädierte für eine gerechte Verteilung der anerkannten Flüchtlinge, die sich bereits auf dem griechischen Festland befinden, auf ganz Europa. Damit könnte man die Lager auf den Inseln entlasten. Eine solche Vorgehensweise nannte Knaus die beste Lösung und auch nicht notwendigerweise eine Einladung an weitere Flüchtlinge, sich illegal auf den Weg nach Europa zu machen. Kurz lehnte eine Aufnahme für Österreich freilich einmal mehr ab.
Einig waren sich die Diskutanten, dass Hilfe vor Ort die beste Möglichkeit sei, Flucht und Migration erst gar nicht so stark aufkommen zu lassen. Kurz wies in diesem Zusammenhang auf die - seiner Meinung nach - hohen Aufwendungen der Österreichischen Regierung für Entwicklungszusammenarbeit hin. Auch die EU, wo Österreich "Nettozahler" sei, sei hier federführend. Zugleich sei es unumgänglich, Griechenland beim Außengrenzschutz zu unterstützen.
Quelle: kathpress