Elbs: Kirche in Coronakrise sicher existenzrelevant
Kirche und Religion waren bzw. sind in der Coronakrise vielleicht nicht systemrelevant, aber sicher existenzrelevant. Das betont der Feldkircher Bischof Benno Elbs im Interview in der aktuellen Ausgabe des Vorarlberger Kirchenblatts. An drei grundsätzlichen Fragen machte der Bischof, der auch Psychotherapeut ist, die Existenzrelevanz von Glaube, Religion und Kirche fest: "Fragen wir uns doch, ob etwas stabilisierend wirkt oder eskalierend. Sind unsere Handlungen Hinwendung zu jenen, die keine Stimme haben und handeln wir so, dass Vertrauen gefördert wird?"
Der Bischof blickte im Interview zurück auf die vergangenen sechs Monate: "In der Anfangszeit der Corona-Krise drängte sich zunächst die Kirche als Unternehmen in den Vordergrund. Da wurde ein Krisenstab eingerichtet, es wurde über Zeitstände und natürlich auch über finanzielle Folgen gesprochen." Auf diese erste Phase des Organisatorischen sei in einem zweiten Schritt die inhaltliche Diskussion gefolgt: "Welche Rolle hat denn die Kirche in einer Krise wie dieser weltweiten Pandemie? Was darf sie, was soll sie, was muss sie sogar leisten?"
Es sei innerkirchlich "wirklich heftig diskutiert", worden, räumte der Bischof ein. Zum einen sei die Regierung an die Religionsgemeinschaften mit der Bitte herangetreten, die Corona-Maßnahmen mitzutragen, "was wir natürlich gemacht haben". Das habe dann aber wieder einige Kritiker auf den Plan gerufen, "die uns vorwarfen, dass wir das Evangelium verraten würden und zu ängstlich seien". Dazu sei die Frage gekommen, ob die Zeit des Lockdowns als eine Zeit der Brache gestaltet werden sollte oder nicht.
Übersiedlung zur Mutter
"Für mich stellte sich dann auch ganz persönlich die Frage, wo ich während der Zeit im Lockdown sein werde. Im Büro in Feldkirch oder bei meiner 88-jährigen Mutter in Langen. Ich wusste, wenn ich für diese Zeit übersiedle, dann jetzt", gab der Bischof Einblicke in sein Privatleben. So habe man den Bischof im Lockdown via Videokonferenz nun am heimatlichen Küchentisch erreicht.
Dann sei eine gewisse Routine im Krisenmodus eingekehrt, die Bischof Elbs im Blick zurück als eine Zeitspanne des starken "Wir"-Gefühls beschrieb: "Das war in der Anfangszeit wichtig. Jetzt ist es aus meiner Sicht genauso wichtig, auch das Individuelle wieder zu entdecken, die Diversität wieder zu erleben. Denn die Überwachungsmacht, die ja auch da war und ist, ist nicht zu unterschätzen."
In der Krise zeige sich aber auch, so der Bischof, wie kreativ die Antworten vieler Menschen auf die neue Situation waren. "Es war klar, dass es Richtlinien für die Pfarren geben musste. Wichtig waren mir dabei immer Nähe und Präsenz - und zwar antiviral. Die Pfarren haben da sehr individuell darauf geantwortet." Auch die Medien im Land hätten die Kirche in dieser Zeit sehr unterstützt.
Neues Buch über Zuversicht
Bischof Elbs hat während des Lockdowns ein neues Buch geschrieben, in dem er allen Krisen zum Trotz die Zuversicht thematisiert. "Im ersten Teil gehe ich der Frage nach, was Zuversicht zerstören kann und was Zuversicht entstehen lässt. Zuversichtsgeschichten aus der Bibel bilden den zweiten großen Themenkreis, bevor ich im dritten Kapitel das Kirchenjahr als 'Schule der Zuversicht' aufzeige", so der Bischof zu seinem neuen Buch.
Zum Stichwort "Normalität" bzw. neue Normalität" meinte der Bischof im Interview skeptisch: "Ich frage mich bei allem natürlich auch, was heißt es, wenn wir zurück zur Normalität wollen. Wollen wir wirklich, dass gar alles wieder so wird wie vorher?" Für ihn sei derzeit eine Art "gesellschaftliches Burnout" spürbar: "Viele Menschen tragen Probleme mit sich herum, und durch die Krise wurde da vieles an die Oberfläche gespült." Ein weiterer kritischer Punkt: "In der Krise hat die Natur spürbar aufgeatmet. Will ich also wirklich, dass alles wird wie vorher?" Ganz entscheidend für die Zukunft werde etwa sein, "welche Antworten wir gerade im Hinblick auf die Fragen der Umwelt, der Natur und der gesamten Schöpfung zu finden fähig sind".
(Benno Elbs: "Werft eure Zuversicht nicht weg", Tyrolia Verlag, Innsbruck 2020)
Quelle: kathrpess