Neuer Marko-Feingold-Lehrstuhl zur Antisemitismus-Forschung
An der Universität Salzburg wird eine neue Marko-Feingold-Gastprofessur zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung und Ursachenforschung von Antisemitismus errichtet. Der nach dem 2019 verstorbenen KZ-Überlebenden, Zeitzeugen und langjährigen Vorsteher der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg benannte Lehrstuhl wurde am Samstag von Vertretern aus Kirche, Wissenschaft und Politik im Beisein von Feindgolds Witwe Hanna vorgestellt. Die Gastprofessur für jüdische Ethnizität, Religion und nationale Identität soll ab dem Sommersemester 2021 am Fachbereich Bibelwissenschaft der Uni Salzburg bestehen und ist ein gemeinsames Projekt von Bundeskanzleramt, Land Salzburg, Erzdiözese Salzburg und Erzabtei St. Peter.
Mit der Professur könne das Erbe Marko Feingolds erhalten werden, so der Tenor bei Präsentation des Lehrstuhls u.a. mit Europaministerin Karoline Edtstadler, Erzabt Korbinian Birnbacher und der Salzburger Wissenschafts-Landesrätin Andrea Klambauer. Marko Feingold "steht für das unsägliche Leid jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger in unserem Land; aufrecht, nicht verbittert, stets mahnend", betonte Erzbischof Franz Lackner in einer vorab übermittelten Grußbotschaft, die bei der Lehrstuhl-Präsentation verlesen wurde. Die Begegnung mit dem Holocaust-Überlebenden gehöre für ihn zu den großen Momenten seines Lebens, so Lackner.
Gerade als christlich geprägtes Land sind wir am auserwählten Volk der Juden schuldhaft geworden. Das dürfen wir nicht vergessen - zumal wir dem Judentum unseren Glauben verdanken.
Marko Feingolds Witwe Hanna sprach ihren Dank gegenüber den Beteiligten an der neuen Gastprofessur aus: "Mehr als 70 Jahre hat sich mein Mann bemüht Schülern, Jugendlichen und später auch Studenten seine Erfahrungen aus sechs Jahren Konzentrationslagern weiterzugeben um ein 'Nie Wieder' aufkommen zu lassen." Auch Ministerin Edtstadler betonte, dass Feingold jahrzehntelang Schüler über "das dunkelste Kapitel in unserer Geschichte" aufgeklärt und es geschafft habe, für junge Menschen "das Unfassbare fassbar zu machen". Landesrätin Klambauer würdigte Feingold als "standfesten Mahner". Diese Bewusstseinsbildung und der jüdisch-christliche Dialog würden im Rahmen der Professur weiter getragen und wissenschaftlich argumentiert an Studierende weitergegeben.
Workshops und Gastvorträge
Im Rahmen der "Marko Feingold Visiting Professorship" Professur werden fünf Forscherinnen und Forscher für jeweils ein Studienjahr multidisziplinäre Workshops veranstalten und mit Gastvorträgen sowie Tagungen ihre Ergebnisse auch einer breiteren Öffentlichkeit präsentieren, schilderte die Bibelwissenschafterin Kristin De Troyer im Beisein des Salzburger Uni-Rektors Hendrik Lehnert.
Die Beherrschung von jüdischen Quellen sowie jüdischer Praxis ist laut den Verantwortlichen neben der Kenntnis der modernen jüdischen Geschichte eine der Hauptvoraussetzungen für die Professur. Eine Vernetzung mit europäischen, israelischen und amerikanischen Universitäten ist wünschenswert, um im jüdisch-christlichen Dialog eine aktive Rolle einzunehmen. Ebenso werden fließende Sprachkenntnisse in biblischem bis modernem Hebräisch sowie Deutsch, Englisch und einer weiteren Fremdsprache verlangt. Die Professur ist jeweils auf ein Jahr befristet - zusätzlich gibt es die Option auf eine einmalige Verlängerung nach Evaluierung.
Erzabt: Marko Feingold "war ein Lichtblick"
Auch Weggefährte Erzabt Birnbacher blickte am Samstag auf die Zeit mit Marko Feingold zurück, der bis ins hohe Alter erinnernd, aufklärend, mahnend und versöhnend unterwegs gewesen sei. "Mit seinem wachen Gedächtnis, seiner unermüdlichen Geduld und seiner geistreich-humorvollen Kommunikationsgabe war er ein Segen und ein Lichtblick für die Menschen in Salzburg und weit darüber hinaus", hob der Erzabt von St. Peter hervor.
Christen hätten eine besondere Verantwortung für das Volk Israel, so Birnbacher weiter. "Bildung ist der beste Weg, um zu verhindern, dass wir uns nochmals derart verirren", betonte er unter Verweis auf den Holocaust.
Marko Feingold war am 28. Mai 1913 in Banska Bystrica in der heutigen Slowakei geboren worden. Er wuchs als eines von vier Kindern in Wien auf, wo er eine kaufmännische Lehre machte. Kurz vor der Machtübernahme Dollfuß' wurde er arbeitslos und ging 1933 mit seinem Bruder Ernst nach Italien. Im Februar 1938 kamen sie zurück nach Wien, um ihre Pässe verlängern zu lassen. Doch sie vertrödelten die Zeit - bis es zu spät war. Im März übernahmen die Nationalsozialisten die Macht. Die Brüder konnten ohne Pass nicht mehr zurück nach Italien. Sie wurden verhaftet, flohen nach Prag, wo sie eine Chance zur Flucht nach England ungenutzt ließen. Im Mai 1939 wurden sie erneut festgenommen und nach gut einem Jahr Gefängnis ins KZ Auschwitz gebracht.
In seinen Lebenserinnerungen "Wer einmal gestorben ist, dem tut nichts mehr weh" schilderte Feingold eindrücklich sein Martyrium im KZ - Erniedrigungen, Gewalt, Krankheiten, Hunger. Nach zweieinhalb Monaten kam er mit einem Transport für arbeitsfähige Häftlinge ins KZ Neuengamme in Deutschland, weitere Schreckensstationen waren Dachau und Buchenwald, wo er bis zur Befreiung interniert war. Feingolds Geschwister kamen allesamt ums Leben. Durch Zufall ließ er sich 1945 in Salzburg nieder, wo er bis Ende der 1970er Jahre ein Modengeschäft betrieb.
Kritik an Österreichs Umgang mit NS-Vergangenheit
Feingold kritisierte oft, dass sich Österreich nie ehrlich seiner NS-Vergangenheit gestellt habe. Noch immer glaubten viele an den Mythos vom ersten überfallenen Land. Es fehle an Aufklärung, auch der Antisemitismus habe nach 1945 wieder zugenommen. Zu spät für eine Aufarbeitung sei es aber nie.
Feingold selbst trug dazu bei durch seine ausgedehnte Vortragstätigkeit, insbesondere als Zeitzeuge in Schulen und Pfarrgemeinden. Seit 1978 war er Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg und betreute - obwohl selbst nicht religiös - auch die Salzburger Synagoge. 2019 starb er im Alter von 106 Jahren.
Neben seinen zahlreichen Auszeichnungen durch die Republik Österreich und das Land Salzburg wurde Feingold 2010 mit dem Kurt-Schubert-Gedächtnispreis und erst im Vorjahr mit dem Toleranzpreis der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste geehrt.
Quelle: kathpress