Caritas: Menschen im Libanon nicht im Stich lassen
Zwei Wochen nach der verheerenden Explosionskatastrophe in der libanesischen Hauptstadt Beirut stehen die Menschen immer noch unter Schock. Das hat die libanesische Caritasdirektorin Rita Rhayem am Dienstag im Rahmen einer virtuellen Pressekonferenz der Caritas Österreich berichtet. Zugleich seien die Aufräumarbeiten und die Versorgung der Verletzten und Obdachlosen in vollem Gange. Caritas-Präsident Michael Landau appellierte an die Österreicherinnen und Österreicher, die Menschen in Beirut, die auch vor der Explosion schon in existenziellen Nöten gelebt hätten, in dieser dramatischen Zeit nicht im Stich zu lassen.
Exakte Zahlen über das Ausmaß der Katastrophe vom 4. August gibt es immer noch nicht. Von zumindest 160 Toten, 6.000 Verletzten und 300.000 Obdachlosen wird aber ausgegangen. Die Druckwelle der Explosion in einer Lagerhalle des Beiruter Hafens hatte noch Fensterscheiben in 20 Kilometer Entfernung zerstört. Je näher zum Explosionsort, desto verheerender die Verwüstungen. Noch immer sind viele Menschen vermisst und werden unter den Trümmern vermutet. "Unzählige Menschen haben von einer auf die nächste Sekunde alles verloren", so Caritasdirektorin Rhayem.
Die Caritas bemühe sich nach Kräften, den Menschen in Not zu helfen. Dabei sei die Explosion nur eine von vielen Katastrophen im Land, sagte Rhayem. Die Wirtschaft liege völlig darnieder, dazu kämen allein 900.000 offiziell registrierte syrische Flüchtlinge im Land, die Inflation sei dramatisch, das Land befinde sich in einer andauernden politischen Krise und dann gebe da auch noch Corona. Erst am Dienstagfrüh meldeten die libanesischen Behörden 600 Neuinfizierte an einem Tag, wobei das die Menschen angesichts der vielen anderen Probleme schon kaum mehr tangiere, wie die Caritasdirektorin einräumte. Ein Lockdown sei ohnehin nicht mehr vorstellbar, weil immer mehr Libanesen nur mehr von der Hand in den Mund lebten.
Trotz aller Verbitterung gebe es aber auch Hoffnung, so Rhayem. Sie verwies auf die vielen jungen Helfer aus allen Teilen des Libanon, die sich nun in Beirut für die Menschen in Not einsetzen würden: "Wir wollen Beirut wieder aufbauen. Diese jungen Menschen stehen für den wahren Libanon."
Libanon in den Grundfesten erschüttert
Auch Caritas-Präsident Landau zeigte sich vom Einsatz dieser jungen Menschen und generell der Zivilgesellschaft vor Ort beeindruckt. "Die Menschen helfen einander." Ein Bild aus einem der Berichte sei ihm ganz besonders präsent geblieben: "Darauf war ein Mann im Rollstuhl sitzend zu sehen, wie er mit einem Besen die mit Schutt überhäufte Straße aufkehrt."
Die Explosion habe den Libanon, der seit vielen Jahre von Krisen gebeutelt wird, in seinen Grundfesten erschüttert. Die Lage des Libanons sei schon vor der Explosion höchst instabil gewesen. Die schwerste Wirtschaftskrise seit dem Bürgerkrieg habe die Preise unkontrolliert in die Höhe schnellen lassen. Und schon bevor die Regierung dieser Tage zurücktrat, habe es schwere Korruptionsvorwürfe gegeben, die zu Demonstrationen und Massenprotesten führten.
Vier Krankenhäuser wurden bei der Explosion zerstört, die verbliebenen seien schon vor der Explosion durch Corona überlastet gewesen, so Landau. Er zitierte den libanesischen Gesundheitsminister: "Wir stehen am Abgrund, und wir haben nicht den Luxus, uns Zeit zu lassen."
Wer die Bilder der verletzten Menschen gesehen und das Ausmaß der Zerstörung, aber auch die Dramatik der Gesamtlage begriffen hat, der wisse: "Hilfe muss in dieser Situation immer einen langen Atem haben - wir müssen vor Ort sein und vor Ort bleiben, wie wir es schon lange sind - auch dann noch, wenn Kameras schon längst einen anderen Katastrophenschauplatz in den Fokus genommen haben", so Landau. Er appellierte an die Solidarität Österreichs und dankte zugleich der heimischen Regierung, die zuletzt ihre Hilfe auf insgesamt 1,9 Millionen Euro aufgestockt hat.
Hilfe nach der Katastrophe
Die Caritas Libanon begann sofort nach der Explosion mit Hilfsmaßnahmen in den betroffenen Gebieten. So konnte bereits mehr als 46.000 Menschen geholfen werden, u.a. mit Hygiene-Kits, Lebensmittelpaketen, medizinischer und psychologischer Hilfe. Junge Freiwillige der Caritas halfen auch dabei, mehr als 600 Häuser und ein öffentliches Gebäude aufzuräumen und zu reinigen.
Die Caritas Österreich unterstützt gemeinsam mit der Caritas Salzburg in einem unmittelbar ersten Schritt die Caritas Libanon mit 40.000 Euro bei deren Nothilfe. Diese hat sich zum Ziel gesetzt, mehr als 84.000 Menschen in den nächsten Wochen mit den wichtigsten Gütern zu unterstützen.
Die Caritas Salzburg bzw. die Caritas Österreich sind seit rund 25 Jahren im Libanon aktiv. Unterstützt wurden und werden etwa nachhaltige Projekte, die vor allem Kindern und Frauen eine Zukunftsperspektive geben sollen; also etwa Schulen oder auch Frauenhäuser. Zuletzt habe man aufgrund der Wirtschafts- und Coronakrise aber auch schon immer mehr Nothilfe, etwa in Form von Lebensmittelpaketen, leisten müssen, berichtete Judith Hameseder. Sie ist die Caritas-Österreich-Delegierte für den Nahen Osten und derzeit in Beirut.
Angst vor dem Winter
Aktuell sei es in Beirut brütend heiß, doch im Winter könne es auch bitterkalt werden, so Hameseder. Deshalb gelte es nun, leicht beschädigte Häuser wieder bewohnbar zu machen, um so die Notunterkünfte für die künftigen schwierigen Monate zu entlasten.
Ein besonderes Anliegen ist der Caritas auch die Schule "Beth Aleph" im Zentrum von Beirut, die seit Jahren unterstützt wird. Sie wurde bei der Explosion stark beschädigt, soll aber auch durch Hilfe aus Österreich so rasch als möglich wieder instand gesetzt werden.
Die Caritas bittet dringend um Spenden: Caritas Österreich, BAWAG P.S.K., IBAN: AT92 6000 0000 0770 0004, Kennwort: Libanon-Nothilfe nach Explosion. Infos und Online-Spenden: www.caritas.at/beirut.
Quelle: kathpress