Caritasdirektor: Solidarität darf nicht an Grenzen Europas enden
Solidarität und Nächstenliebe dürfen nicht an unserem "Gartenzaun" - an der Landesgrenze oder den Grenzen Europas - enden, "auch nicht in Zeiten wie diesen": Wie Franz Kehrer, Direktor der Caritas der Diözese Linz, in einem Gastkommentar für die "Oberösterreichischen Nachrichten" (Dienstag) anmerkte, könne die durch die Corona-Pandemie global verschärfte Not zu einem "Gefühl der Ohnmacht" führen. "Wenn man aber in Projekten der humanitären Hilfe arbeitet, hat man nicht diese Zahlen im Blick, sondern die einzelnen Menschen, für die man ganz konkret etwas bewirkt", betonte Kehrer. Als Beispiele nannte er Vermittlung neuer Anbaumethoden an Landwirte im "Süden" oder eine Handwerksausbildung als Existenzsicherung.
Der Chef der Caritas Oberösterreich äußerte sich anlässlich des Welttags der humanitären Hilfe am 19. August - wie auch andere in diesem Bereich tätige NGOs wie die Diakonie, die "AG Globale Verantwortung" und "Jugend Eine Welt". Kehrer äußerte sich zuversichtlich, dass die auch hierzulande Existenzängste schürende Corona-Krise sensibler für Not in anderen Weltregionen mache. Auch in Österreich gelte: "Viele Menschen mussten und müssen um ihre Existenz bangen", schrieb Kehrer.
Dadurch können wir nun ein wenig mehr erahnen, wie es Menschen in anderen Teilen der Welt gehen muss, deren Leben tagtäglich bedroht ist - sei es durch bewaffnete Konflikte oder durch Hunger.
Der Linzer Caritasdirektor berichtete von einem Projekt-Mitarbeiter in Kinshasa, der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo. Dort herrsche durch die Ausgangssperre mehr Angst davor, an Hunger zu sterben als durch das Coronavirus. Wer sein Haus nicht verlassen kann, falle um Geld durch kleine Geschäfte auf den Märkten um; es gebe massive Arbeitslosigkeit durch Firmenschließungen und ausbleibendem Tourismus; zugleich stiegen die Lebensmittelpreise an.
All dem versuche die Caritas mit Hilfsprojekten gegenzusteuern, die nicht die Zahlen von mehreren hundert Millionen hungernden Menschen im Blick hätten, sondern "einzelne Menschen, für die man ganz konkret etwas bewirkt". Kehrer betonte: "Jeder Einzelne, für den damit das Überleben gesichert ist, zählt." Und: "Wir alle tragen für unsere Welt gemeinsam Verantwortung."
Pandemie verschärft weltweit die Not
Die Caritas ist auch eine der 35 Organisationen, die sich als Mitglied der "AG Globale Verantwortung" für eine faire Entwicklungspolitik in Österreich einsetzen. Deren Geschäftsführerin Annelies Vilim lenkte den Blick anlässlich des Welttags der Humanitären Hilfe auf den Libanon, wo sich infolge der verheerenden Explosion im Hafen von Beirut die Corona-Pandemie "wie ein Lauffeuer" ausbreite. Das schon davor mangelhafte Gesundheitswesen im Nahost-Land müsse mit einem internationalen Rettungspaket in der Höhe von 100 Millionen Euro gestützt werden, forderte Vilim.
"Covid-19 besiegen wir weltweit oder gar nicht", verwies die Geschäftsführerin auch auf die prekäre Lage in Ländern des Globalen Südens, wo zur Pandemie auch noch Heuschreckenplage oder gewaltsame Konflikte kämen. Die UNO gehe davon aus, dass durch die Corona-Krise die Zahl der extrem armen Menschen auf mehr als eine Milliarde anwachsen wird. Das unterstreiche, warum ein Rettungspaket "das Gebot der Stunde" ist.
"Österreich hat im Bereich der Humanitären Hilfe großen Aufholbedarf", so Vilim. 2019 habe Österreich gerade einmal 4 Euro pro Kopf an Humanitärer Hilfe geleistet, in Deutschland seien es 27 Euro gewesen. Die heurige Erhöhung durch die türkis-grüne Regierung sei ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung gewesen, aber jetzt brauche es mehr. Vilim appellierte an die Regierung, rasch zu handeln.
Diakonie und "Jugend Eine Welt" helfen
Dass dem Libanon eine Hungerkatastrophe droht und weltweit weitere 130 Millionen bis Jahresende von Unterernährung bedroht sind, teilte die Diakonie Österreich anlässlich des Welttags mit. Nina Hechenberger von der Diakonie-Katastrophenhilfe berichtete vom Aufbau medizinischer Nothilfezentren und einer Gemeinschaftsküche, die derzeit täglich 1.000 Familien im Libanon mit Mahlzeiten versorge.
Besondere Aufmerksamkeit verlange auch die bedrohliche Lage in Flüchtlingscamps wie in Moria, dem berüchtigten auf der griechischen Insel Lesbos: Dort hilft die Diakonie mit Trinkwasser, Hygieneartikeln und medizinischen Hilfsgütern. Im weltweit größten Flüchtlingslager Cox's Bazar in Bangladesch werde Gesundheitsaufklärung für Rohingya geleistet und Hygiene- und Sanitäreinrichtungen errichtet, in Somalia würden für Binnenvertriebene Covid-19-Präventionsmaßnahmen unterstützt.
Das vor 23 Jahren gegründete Hilfswerk "Jugend Eine Welt" werde durch die aktuelle Pandemie "vor eine noch nie dagewesene globale Herausforderung" gestellt, berichtete Geschäftsführer Reinhard Heiserer am Dienstag. "Besonders dramatisch ist es, wenn zur gegenwärtigen Coronakrise weitere Katastrophen hinzukommen" - wie die Lage im Libanon. "Jugend Eine Welt" unterstützt die Nothilfeprogramme der Salesianer Don Boscos und der Don Bosco Schwestern, die langjährige und gut vernetzte Projektpartner in den betroffenen Regionen sind.
Quelle: kathpress