Schönborn: Menschheit vom Wahnsinn der atomaren Rüstung befreien
Kardinal Christoph Schönborn hat zum 75. Jahrestag der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki eindringlich zu einer nuklearwaffenfreien Welt aufgerufen. "Warum müssen immer noch Atombomben gebaut werden? Wann wird die Menschheitsfamilie vom Wahnsinn der atomaren Rüstung befreit werden? Genügt nicht die viele Not in aller Welt?", hinterfragte der Wiener Erzbischof in seiner Freitags-Kolumne der Gratiszeitung "Heute" auch die "irren Summen der Rüstungsausgaben". Damit könnte der Hunger auf Erden besiegt und Bildung für alle finanziert werden, schrieb Schönborn.
Haben wir, hat die Welt, haben die Mächtigen 75 Jahre nach Hiroshima den Weg zum Frieden noch immer nicht gefunden?
Der Kardinal erinnerte an die 70.000 Menschen, die laut Schätzungen bei der Explosion der ersten Atombombe vom 6. August um 8.16 Uhr morgens sofort tot waren; bis Ende des Jahres 1945 waren dann 140.000 an den Folgen der Strahlung gestorben. "Hier sind von vielen Männern und Frauen, von ihren Träumen und Hoffnungen, inmitten von Blitz und Feuer nichts als Schatten und Stille zurückgeblieben", zitierte Schönborn Papst Franziskus, der Hiroshima im Februar 2019 einen Besuch abgestattet hatte.
Interreligiöses Gedenken in Wien
Vor dem Wiener Stephansdom fand zum Hiroshima-Jahrestag am Donnerstagabend ein interreligiöses Gedenken an die Opfer statt - ebenfalls mit Mahnungen. "Atomwaffen und andere sogenannte technische Errungenschaften, die das Leben auf der Welt gefährden und auszulöschen drohen, sind zu ächten und zu beseitigen", appellierte dabei der Steyler Missionar P. Franz Helm. Die "horrenden Summen" für die Vorbereitung von Kriegen oder für den Aufbau abschreckender Waffenarsenale gehörten "in die Beseitigung von Hunger, Krankheiten und Ungleichheit investiert", sagte der frühere Generalsekretär der Ordensgemeinschaften. Pflicht der Menschheit sei der Aufbau einer Welt, "die nicht durch ein Gleichgewicht des Schreckens, sondern durch eine unbedingte Solidarität mit Notleidenden und allem bedrohten Leben bestimmt ist".
Die evangelische Pfarrerin Ines-Charlotte Knoll rief bei der von Künstlerperformances begleiteten Aktion zu einer "Überwindung der Vernichtung und des Bösen mit dem Guten" auf. Der altkatholische Bischof Heinz Lederleitner betonte, "dass wahre Sicherheit nur durch ein Ringen um mehr weltweite soziale Gerechtigkeit und friedliche Konfliktbearbeitung erreicht werden kann". Neben der nötigen "Abrüstung der Waffen" sei auch eine "Abrüstung der Worte" erforderlich - gerade angesichts des Aufschwungs von Kräften, die in Zeiten vielfältiger Bedrohungen eine Sicherheit versprächen, die sich nur auf "starke Worte, diktatorische Maßnahmen und alles vernichtende Waffen" stützten.
Auch zahlreiche weitere Stimmen aus der Zivilgesellschaft unterstützten die gemeinsame Botschaft. Für Investitionen von "Intelligenz, Energie und Kapital in Frieden und Gerechtigkeit statt in Rüstung und Zerstörung" machte sich der Nachhaltigkeitsforscher Klaus Renoldner stark. Rotkreuz-Vizepräsidentin Anja Oberkofler forderte, die Atomwaffen-Staaten sollten aus Respekt für das Andenken an die Toten von Hiroshima und Nagasaki die Nuklarwaffen aus ihren Arsenalen eliminieren. Gerechtigkeit, Friede und Schöpfungsverantwortung müssten ins "Alltagsverhalten" übersetzt werden, betonte Isolde Schönstein von der "ARGE Schöpfungsverantwortung", während Andreas Pecha von der Wiener Friedensbewegung mehr Engagement der jungen Generation für eine atomwaffenfreie Welt und eine ökosoziale Zukunft einforderte.
Van der Bellen: Wie Klimakrise und Corona
Bundespräsident Alexander Van der Bellen schrieb in seiner Grußadresse an die Hiroshima-Aktion:
Die atomare Bedrohung der Welt erfordert weiter genauso unser Engagement und unsere Aufmerksamkeit wie auch die neuen Herausforderungen Klimakrise und Corona-Pandemie. Ich glaube, wir müssen endlich begreifen, dass wir eine große Menschheitsfamilie sind. Unsere Zukunft, die Zukunft unseres gesamten Planeten hängt davon ab, ob wir es schaffen, die globalen Aufgaben gemeinsam zu bewältigen. Mutig, entschlossen, zuversichtlich, solidarisch.
Quelle: kathpress