Landau pocht erneut auf solidarische Krisenbewältigung
Caritas-Präsident Michael Landau hat angesichts der Corona-Pandemie erneut auf eine solidarische Krisenbewältigung gepocht. Dass viele wirtschaftlich massiv betroffen seien, zeigte auch die zuletzt deutlich angestiegene Frequenz in den Caritas-Sozialberatungsstellen. "Wir werden in dieser Krise lange gefordert sein. Da ist es wichtig, nicht von Ideologien auszugehen, sondern von der konkreten Not der Betroffenen", sagte Landau in einem ausführlichen "Kurier"-Interview (Montag). Lob zollte er sowohl der Bundesregierung für deren "gute und richtige Entscheidung, die Kurzarbeit zu verlängern", als auch den europäischen Staats- und Regierungschefs, die mit ihrem "raschen, guten und wichtigen" EU-Hilfspaket wirklich Verantwortung gezeigt hätten.
Jetzt werde es darauf ankommen, dass die Hilfe in den EU-Ländern so ausgestaltet wird, dass sie die Menschen erreicht, betonte der seit Mai auch als "Europa-Präsident" der Caritas Internationalis fungierende Landau. Es gelte Maß an dem Ziel zu nehmen, niemanden zurückzulassen und eventuelle Nachbesserungen vorzunehmen.
Zur Kritik an den "frugalen Vier", zu denen auch Österreich gehört, sagte der Caritas-Präsident, er habe "Verständnis, dass der Bundeskanzler die Interessen der Republik wahrnimmt". Zugleich sei klar, dass ein starkes, lebendiges Europa auch "im größten Interesse Österreichs" liege. Wenn schon nicht aus humanitären Überlegungen, so sei allein aus Gründen der Vernunft einsichtig, dass sich etwa Menschen aus Italien oder Spanien auch morgen noch leisten können, Produkte aus Österreich zu kaufen und Urlaub in Österreich zu machen. Landaus Überzeugung: "Europäisch zu denken steht nicht im Widerspruch zu österreichischen Interessen, sondern ist Hand in Hand zu denken."
Über Europa hinaus Not bekämpfen
Der Caritas-Chef lenkte den Blick vor dem Hintergrund der laufenden Hungerkampagne aber auch über die Grenzen Europas hinaus: In manchen Ländern Afrikas sei "die Situation ganz dramatisch" - etwa in Kenia, das neben der Pandemie auch von der größten Heuschreckenplage seit 70 Jahren und von einer Dürre getroffen sei. Angesichts dessen sei keine theologische oder philosophische Diskussion über das Leid erforderlich, sondern konkrete Hilfe. Dass Österreich weder die humanitäre Hilfe noch die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit ausreichend erhöht, nannte Landau "bedrückend".
Und er halte es - wie er sagte - für wichtig, die Not in Afrika nicht gegen die hierzulande beobachtbare auszuspielen: "Wir dürfen uns mit der Not, die es hier gibt, nicht abfinden. Die Hilfe in Regionen wie Afrika ist dennoch möglich." Landau hielt "ganz nüchtern" fest: "Es ist genug für alle da, aber nicht für jedermanns Gier."
"Obszönen Reichtum" in die Pflicht nehmen
In diesem Zusammenhang sprach sich der Caritas-Präsident für Digitalisierungssteuern innerhalb der EU aus. Viele hätten großes Leid durch die Corona-Krise erfahren, "aber manche haben auch viel Gewinn geschöpft". Es gebe weltweit wie auch in Europa "himmelschreiende Not und obszönen Reichtum. Das finde ich nicht in Ordnung." Ungeachtet dessen, dass viele wohlhabende Menschen großherzig helfen, sei er davon überzeugt, dass die Krise den enormen Wert eines funktionierenden Sozialsystems verdeutlicht habe. "Wenn wir bis jetzt gut durch die Krise gekommen sind, dann nicht zuletzt, weil Österreich einen funktionierenden Sozialstaat hat", wies Landau hin. Dieser sei leistungsfähig und auch leistbar. "Was wir uns nicht leisten können, ist ohne ihn zu sein", betonte der Caritas-Präsident.
Im "Kurier" wiederholte Landau auch mehrfach geäußerte Forderungen bzw. Anregungen nach einer Erhöhung der Ausgleichszulage auf 1.000 Euro und der im internationalen Vergleich niedrigen Nettoersatzrate für Arbeitslose. Die Regierung sollte auch die Sozialhilfe Neu "rasch reformieren und armutsfest ausgestalten" und Akzente im Bereich Bildung sowie gegen das Problem der Einsamkeit gerade älterer Menschen setzen: "Wir müssen einen Pakt gegen die Einsamkeit schmieden", so Landau.
Auf die Frage, ob sich die Spendenbereitschaft in der Corona-Zeit verändert hat, antwortete Landau: "Es ist noch zu früh, das endgültig zu sagen. Es gibt eine große Hilfs- und Spendenbereitschaft. Die Hilfe wird aber einen langen Atem brauchen."
Quelle: kathpress