Theologin fordert offene Debatte über Amt, Zölibat und Frauenfrage
Die katholische Kirche muss sich nach Ansicht der deutschen Theologin Julia Knop ihren heute offenkundig werdenden Systemproblemen stellen und einen "Mentalitätswandel" durchlaufen, selbst wenn dieser "eine ganze Generation lang" dauern könnte. Fragen zu früher tabuisierten "Dauerbrennern" wie Geschlechtergerechtigkeit, Amt oder Zölibat sollten offen diskutiert und adäquate Reaktionen gesucht werden, da sich "alte Antworten" darauf als Mitverursacher von Missbrauch in allen Abstufungen erwiesen hätten, sagte die Freiburger Dogmatikerin, die im Rahmen der heuer unter Corona-Bedingungen stattfindenden "Salzburger Hochschulwochen" an einem Podcast-Gespräch teilnimmt, im Interview mit den "Salzburger Nachrichten" (SN, Samstag).
Statt "den Amtsträger in den Himmel zu loben und ihn zu einer besonderen Mittlergestalt zu stilisieren", müsse das kirchliche Weiheamt "geerdet und rechenschaftspflichtig" werden, forderte Knop. Allgemeine Standards wie Transparenz, Kontrolle, Gewaltenteilung und Geschlechtergerechtigkeit hätten sich auch in der katholischen Kirche durchzusetzen. Diese sei nämlich institutionell "irgendwann aus der gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklung ausgestiegen" und müsse dies nun nachholen, um die Menschen zu erreichen. Schließlich könne das Evangelium nicht "zu allen Zeiten auf dieselbe Weise" vermittelt werden, befand die Professorin für Dogmatik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt.
Als ein weiteres dringendes Thema nannte die Freiburger Theologin die Frauenfrage. Auch wenn die Bereitschaft der katholischen Kirche in jüngster Zeit merklich gestiegen sei, Frauen in wichtige Positionen zu bringen, bleibe die Weihe als Grenze, während andere christliche Konfessionen hier schon deutlich weiter gekommen seien. Die katholische Debatte stecke infolge von Entscheidungen früherer Päpste in einer "Sackgasse", Hoffnung auf "Umbruch" sieht Knops dennoch: Erfahrungen wie etwa auf der Amazonien-Synode 2019 hätten gezeigt, "dass faktisch weiter darüber diskutiert wird", zudem habe die Kirche auch bei anderen Themen wie etwa Religionsfreiheit oder Bewertung der Todesstrafe frühere Lehren durchaus korrigiert.
Die Corona-Zeit könnte einen Wandel auch der Liturgie beschleunigen, vermutete die Dogmatikerin. Die Zäsur des Lockdowns habe bei Gläubigen Nachdenkprozesse über die Sonntagsgestaltung und eigene Prioritäten in der Religionsausübung eingeleitet. Das habe einem "individuellen, pluralen und säkulären Denken und Leben" Vorschub geleistet. Die Kirche müsse darauf reagieren und den Gläubigen mehr zutrauen: "Es braucht viel Verständigung darüber, warum Menschen Gottesdienst feiern und was ein Minimum an Erwartung ist, das eingelöst werden muss. Man wird wahrscheinlich nicht mehr einfach sagen können, die Sonntagsmesse in der althergebrachten Form ist für alle das einzig Richtige. Es wäre jetzt die Gelegenheit, auch einmal anderes zu erproben."
Quelle: kathpress