Schönborn: Wiener Judenvertreibung vor 350 Jahren war Katastrophe
Die Vertreibung der Juden aus Wien vor 350 Jahren "war eine Katastrophe für die jüdische Bevölkerung und ein schmerzlicher Verlust für Wien". Das betonte Kardinal Christoph Schönborn in seiner Kolumne in der "Heute"-Zeitung am Freitag. Die sogenannte "Zweite Wiener Gesera" mahne zum Einsatz gegen Antijudaismus und Antisemitismus. "Ich bin froh und dankbar, dass es heute wieder jüdische Gemeinden und ein vielfältiges jüdisches Leben in Wien gibt", betonte der Wiener Erzbischof und schrieb: "Mögen die Gemeinden unserer jüdischen Glaubensgeschwister in Frieden weiter bestehen und gedeihen."
Der 26. Juli 1670 war der Stichtag dafür, dass sämtliche Juden Wiens auf Befehl von Kaiser Leopold I. die Stadt verlassen mussten. Bei dieser zweiten Judenvertreibung in der Geschichte Wiens wurde das jüdische Ghetto im Unteren Werd, die "Judenstadt", geräumt. Die große Synagoge wurde zerstört und an ihrer Stelle die katholische Leopoldskirche im heutigen 2. Wiener Gemeindebezirk, der Leopoldstadt, errichtet.
Als Gründe für die Vertreibung nannte der Kardinal "die judenfeindliche Einstellung eines großen Teils der Wiener Katholiken, darunter auch der Frau von Kaiser Leopold I." gepaart mit Verdächtigungen und haltlose Unterstellungen. So seien Juden für Unglücksfälle ungerechterweise verantwortlich gemacht worden.
Gebet für jüdische Gemeinden in den Sonntagsmessen
Der tragischen Ereignisse vor 350 Jahren will die Erzdiözese Wien jetzt am Sonntag gedenken. Konkret soll in allen Wiener Pfarren beim Sonntagsgottesdienst besonders für die heimischen Jüdinnen und Juden gebetet werden.
In einem Schreiben, das der Wiener Erzbischof an die Pfarren gerichtet hat, ist auch der Vorschlag für eine Fürbitte beigelegt. Diese lautet wörtlich: "Den Juden wurde eine Frist bis 26. Juli 1670 gesetzt, um ihre Häuser zu räumen und Wien zu verlassen. Heute, nach 350 Jahren blüht in dieser Stadt wieder jüdisches Leben auf. Wir bitten Dich, Allmächtiger, Gütiger Herr: Segne die Jüdinnen und Juden dieser Stadt und ihre Gemeinden, gib ihnen Bestand und Wachstum in Frieden."
Kardinal Schönborn hatte in dieser Woche den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, in einem Brief darüber unterrichtet. Die historischen Ereignisse und die aktuelle Situation waren auch Thema beim Antrittsbesuch des israelischen Botschafters, Mordechai D. Rodgold, bei Kardinal Schönborn am Donnerstag. "Danke für das inhaltsreiche Gespräch über Christentum und Judentum, unsere Vergangenheit und Zukunft", twitterte der Botschafter nach der Unterredung im Wiener Erzbischöflichen Palais.
Quelle: kathpress