Wiener Theologe schrieb Geschichte anglikanischer Katholiken
"In jüngster Zeit hat der Heilige Geist Gruppen von Anglikanern gedrängt, wiederholt und inständig darum zu bitten, auch als Gruppen in die volle katholische Gemeinschaft aufgenommen zu werden. Der Apostolische Stuhl hat diese Bitten wohlwollend aufgenommen."
Mit diesen Worten beginnt die Apostolische Konstitution "Anglicanorum coetibus" (dt.: "Gruppen von Anglikanern"), mit der seit dem 9. November 2009 der Papst all jenen Anglikanern, die sich der Katholischen Kirche verbunden fühlen, einen Weg zur Einheit mit Rom eröffnet. So sieht die Konstitution unter anderem die Errichtung von Personalordinariaten vor, eine Art Diözesen, in denen konvertierte Anglikaner ihre Liturgie und Tradition pflegen können.
Eine Einheit also in versöhnter Verschiedenheit, könnte man sagen - denn es ging und geht dabei nicht darum, dass die betreffenden Gläubigen ihre eigene anglikanische Tradition gänzlich abstreifen, sondern darum, diese in Anerkennung Roms und in Einheit mit der katholischen Kirche zu leben.
Die Geschichte dieser anglikanischen Katholiken wurde in den letzten Jahren vor allem von einem Forschungsschwerpunkt an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien aufgearbeitet. Systematisch zusammengetragen, entfaltet und auch theologisch aufgeschlüsselt findet sich dieses besondere Kapitel der jüngsten Kirchen- und Liturgiegeschichte in der prämierten und nun im deutschen LIT-Verlag erschienenen Dissertation "United not absorbed. Geschichte und Gottesdienst der Katholiken anglikanischer Tradition" des Wiener Theologen Daniel Seper.
Erste systematische Gesamtschau
Tatsächlich gab es bis dato keine derart umfassende wissenschaftlich fundierte Auseinandersetzung mit dem Thema. Und so begab sich Seper im Zuge der Dissertation auf Forschungsreisen und hob u.a. in den Archiven in Washington D.C., Texas und Kalifornien bislang unveröffentlichte Quellen aus, die einen neuen, weit über das begrenzte Terrain allein liturgiewissenschaftlicher Aspekte hinausgehenden Blick auf diese Gruppe Gläubiger eröffnen. Den letzten Höhepunkt dieser Geschichte bildete 2015 die Einführung einer weltweit gültigen speziellen Form des römischen Ritus für die Katholiken anglikanischer Tradition - inklusive eines eigenen Messbuchs. 2019 hatte der Vatikan außerdem neue, die Konstitution "Anglicanorum coetibus" ergänzende Regeln für anglikanisch-katholische Gemeinschaften erlassen. Diese enthalten weitere Zugeständnisse, sodass Priester anglikanischer Herkunft in Gottesdiensten das vom Vatikan approbierte Messbuch "Divine Worship" auch außerhalb des Ordinariats verwenden dürfen. Auch Priester, die nicht einem Personalordinariat angehören, dürfen in bestimmten Fällen diese Liturgie feiern. Dies wird als Festigung und Bestätigung von "Divine Worship" gedeutet.
Spannend sei im Rückblick die Entwicklung rund um das Jahr 1980 gewesen, so Seper: Zwar habe es seit es Anglikaner gibt auch einen sogenannten anglokatholischen Flügel gegeben, aber dieser hatte seinen Platz immer innerhalb der Anglikanischen Gemeinschaft. Ende der 1970er-Jahre hätten sich dann allerdings Anfragen von Anglikanern, die um Aufnahme in die Katholische Kirche baten, gehäuft. "Neu daran war, dass diese nicht einfach normale römisch-katholische Christen sein wollten, sondern dass sie ihre anglikanischen Traditionen in Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom beibehalten wollten. Dabei konnten sie auf Aussagen von Papst Paul VI. selbst verweisen, der das 'wertvolle Erbe der Anglikanischen Kirche' lobte und in Bezug auf eine Wiedervereinigung der beiden Gemeinschaften von einer Einheit sprach, bei der die Anglikaner und ihre Traditionen nicht einfach in der Katholischen Kirche aufgehen sollten."
Es folgten Jahre zäher Verhandlungen, befürchtete man doch anglikanischerseits eine Vereinnahmung durch die übergroße römisch-katholische Kirche, katholischerseits wiederum fürchtete man beispielsweise, dass die Aufnahme bzw. Anerkennung verheirateter anglikanischer Priester als Zeichen der Lockerung der Zölibatsfplicht missinterpretiert werden könnte, so Seper. 1980 folgten dann die ersten vatikanischen Regeln zur Aufnahme von Anglikanern in die katholische Kirche unter Wahrung ihrer eigenen liturgischen Traditionen, zunächst auf die USA beschränkt. "Anglikanische Kleriker konnten - auch wenn sie verheiratet waren - zu katholischen Priestern geweiht werden. Für diese Katholiken anglikanischer Tradition wurden keine großen Strukturen geschaffen, sondern sie wurden in Form von Personalpfarren in die bestehenden Diözesen integriert."
Vom der Personalpfarre zum Personalordinariat
Einen theologischen Stolperstein stellte dabei die Liturgie dar - genauer gesagt das im Detail abweichende anglikanische Eucharistie- und Opferverständnis sowie die Heiligenverehrung und die Bedeutung des Gebets für Verstorbene. Zwar griff man katholischerseits auf das im anglikanischen Raum weit verbreitete "Book of Common Prayer" zurück, doch brauchte es Anpassungen, die sich im "Book of Divine Worship" niederschlugen. 1987 wurde es offiziell für die Verwendung in den Personalpfarren zugelassen - ein wichtiges Zeichen, so Seper, sei damit doch quasi liturgisch festgeschrieben worden, dass Einheit in der Katholischen Kirche nicht Uniformität bedeute, "sondern als Einheit in Vielfalt verstanden wird, die fremde Traditionen nicht als Bedrohung, sondern als Bereicherung ansieht."
Rasch habe sich jedoch in Folge gezeigt, dass die Lösung der Einheit in Form von "Personalpfarren" nicht ideal sei, so Seper weiter. Und so wurden Vorschläge erarbeitet, die von einer den Ostkirchen ähnlichen anglikanischen Rituskirche innerhalb der Katholischen Kirche bis hin zur Personalprälatur oder Personaldiözese reichten. 2009 reagierte der Heilige Stuhl schließlich in Form der bekannten Konstitution "Anglicanorum coetibus", die nun anstelle von Personalpfarren "Personalordinariate" vorsah, die einer Diözese glichen.
Positive Zwischenbilanz
Mittlerweile gibt es drei solche Personalordinariate: das Personalordinariat "Kathedra Petri" für die USA und Kanada, das Personalordinariat "Unsere Liebe von Walsingham" für England und Wales und das Personalordinariat "Unsere Liebe Frau vom Kreuz des Südens" für Australien. Die beiden Ordinariate in den USA und England zählen rund 40 Gemeinschaften, das australische Ordinariat besteht aus etwa einem Dutzend. "Auch wenn das eine beachtliche Zahl ist, könnte sie höher liegen, da eine große anglikanische Gruppierung, die Traditional Anglican Communion, letztendlich nicht als gesamte Gemeinschaft übergetreten war."
Die Bilanz des Liturgieexperten Seper nach knapp 10 Jahren, in denen die Personalordinariate existieren, fällt prinzipiell positiv aus: Die langjährigen Debatten und Verhandlungen hätten sich für die Gläubigen letztlich ausgezahlt - und auch ekklesiologisch hätten sich die Befürchtungen auf beiden Seiten nicht erfüllt.
Literaturhinweis: Daniel Seper: United not absorbed. Geschichte und Gottesdienst der Katholiken anglikanischer Tradition (Österreichische Studien zur Liturgiewissenschaft und Sakramententheologie 11), Wien: LIT-Verlag 2020, ISBN 978-3-643-50961-1
Quelle: Kathpress