"Krieg der Worte" um die Hagia Sophia geht weiter
Die Auseinandersetzung um die Hagia Sophia geht weiter. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan legte laut Berichten des Portals "Orthodox Times" vor Funktionären seiner AKP nach: Die Hagia Sophia sei eine Moschee gewesen, dann ein Museum geworden, jetzt werde sie wieder zur Moschee, betonte Erdogan. Sultan Mehmed Fatih ("der Eroberer") sei im Übrigen nicht nur osmanischer Sultan gewesen, sondern auch "Kaiser der Römer". Ebenso wurden laut Pro-Oriente-Informationsdienst (Freitag) die oströmischen "Rhomäer", die "Rumi", auf osmanisch genannt. Auch heute noch werden die orthodoxen Kirchen in der Türkei als "rum-ortodoks", "römisch-orthodox" bezeichnet.
Die "Re-Islamisierung" der Hagia Sophia war laut den Berichten das zentrale Thema bei der AKP-Versammlung. Erdogan legte dar, dass der erste muslimische Gottesdienst bewusst am 24. Juli stattfindet, dem Jahrestag des "Vertrags von Lausanne" von 1923, mit dem die Entfernung der christlichen Bevölkerung aus Kleinasien von den Westmächten gutgeheißen wurde. Erdogan wird bei dem Gottesdienst am 24. Juli anwesend sein und das Wort ergreifen.
Der erste Imam der "Ayasofya"-Moschee soll offenbar der bisherige Imam der Istanbuler Yeni-Moschee, Ferruh Mustuer, werden. Die Familie des in der Türkei geborenen muslimischen Geistlichen hat bosnische Wurzeln. Laut Online-Portal Havadis.at war Mustuer zwischen 2006 und 2010 auch in Österreich tätig.
Schon als die türkische Regierung Ende Mai beschloss, zum 567. Jahrestag der osmanischen Eroberung von Konstantinopel am 29. Mai 1453 in der früheren christlichen Basilika aus dem Koran die sogenannte "Sure der Eroberung" verlesen zu lassen, hatte der Imam einen großen Auftritt. Das türkische Fernsehen übertrug das Ereignis, bei dem Präsident Erdogan via Videowall zugeschaltet wurde, live. Neben Mustuer war in der Hagia Sophia nur noch Kulturminister Mehmet Ersoy zu sehen gewesen.
Cavusoglu sieht breite Unterstützung
Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu erklärte im Gespräch mit der Zeitung "Hürriyet", dass die Türkei in Sachen Hagia Sophia nicht einen Schritt zurückweichen werde. Präsident Erdogan habe die Frage sogar mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin besprochen: "Mittlerweile unterstützen alle, die vorher gesagt haben, macht die Hagia Sophia nicht zur Moschee, unsere Vorgangsweise." Nur wenige, "wie zum Beispiel Griechenland", seien immer noch dagegen, meinte Cavusoglu. Er erneuerte die Anklagen gegen Griechenland, dass es keine Moschee in Athen gäbe und die Muslime im westlichen Thrakien "unterdrückt" würden.
Demgegenüber erklärte der Mufti des westthrakischen Komotini, Khalil Jihad, er befürchte Spannungen im westlichen Thrakien wegen der "provokanten und falschen" Entscheidung, die Hagia Sophia zur Moschee zu machen. Wörtlich sagte der Mufti der nordgriechischen Stadt: "Wir leben in einem demokratischen Land, unsere Moscheen in der Gegend sind jeden Tag offen, wir beten jeden Tag, es gibt kein Problem". Aber es sei zu befürchten, dass durch die Entscheidung über die Hagia Sophia Hass zwischen Christen und Muslimen entstehen könnte. Diese Entscheidung sei offensichtlich nicht richtig gewesen.
Das Oberste Verwaltungsgericht in der Türkei hatte zuletzt den Status der Istanbuler Hagia Sophia als Museum aufgehoben. Präsident Erdogan unterzeichnete darauf ein Dekret zur Nutzung der 537 als Kirche des griechisch-orthodoxen Kaiserreichs errichteten Hagia Sophia als Moschee. Nach der Eroberung Konstantinopels, des heutigen Istanbul, durch die türkischen Osmanen war die Hagia Sophia 1453 zur Moschee geworden. Der türkische Republikgründer Mustafa Kemal "Atatürk" machte sie 1934 zum Museum.
EU-Bischöfe beunruhigt
Die geplante Umwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee stößt auch international weiter auf Kritik. So äußerte sich die katholische EU-Bischofskommission (COMECE) beunruhigt. Der Schritt der türkischen Regierung entferne das Land von Europa und sei "ein Schlag gegen die orthodoxe Kirche und den interreligiösen Dialog", erklärte COMECE-Generalsekretär Manuel Barrios Prieto (Donnerstagabend) in Brüssel. Auf diesem Feld habe die Türkei ein "ernstes Problem", so Barrios unter Berufung auf einen EU-Kommissionsbericht von 2019.
Quelle: Kathpress