Präsentation des Tagungsbandes "Die gespaltene Gesellschaft"
Mit Fragen nach den Auswirkungen und Bewältigungskonzepte der aktuellen "Corona-Krise" als "Ernstfall der Solidarität" beschäftigt sich der Tagungsband "Die gespaltene Gesellschaft" zur "Ökumenischen Sommerakademie" 2019, der kürzlich an der KU Linz präsentiert wurde. Anlässlich der Präsentation versuchten Vertreter der Kirche, Politik und Gesundheitswesen bei einer Podiumsdiskussion darauf Antworten zu geben. "Ein Jahr nach der Sommerakademie befinden wir uns in einer Krise, in der vieles, was damals tendenziell als 'Spaltung der Gesellschaft' analysiert und diskutiert wurde, heute deutlicher zu sehen: Solidaritätsressourcen sind dabei ebenso klar hervorgetreten wie gesellschaftliche Spaltungen und soziale Differenzierung", hieß es in einer Aussendung.
Die individuellen Erfahrungen und ökonomischen Folgen der Maßnahmen zur Eingrenzung der Covid-19-Pandemie verdeutlichen die vorherrschenden Tendenzen gesellschaftlicher Spaltungen und fordern zu klaren Positionierung in den politischen, wirtschaftliche, gesundheitsökonomischen und auch kirchlichen Grundhaltungen heraus. Dazu nahmen im Rahmen der Pressekonferenz im Presseclub Linz Bischof Manfred Scheuer, Landeshauptmann-Stellvertreterin Christina Haberlander, Geschäftsführer Franz Harnoncourt von der Oberösterreichischen Gesundheitsholding, Univ.-Prof. Christian Spieß als Vorstand des Johannes-Schaschnig Instituts und Professor für Christliche Sozialwissenschaften an der KU Linz sowie Univ.-Prof. Severin Lederhilger als Generalvikar der Diözese Linz und Herausgeber des Tagungsbandes, Stellung.
In den vergangenen Monaten sei ein starker Zusammenhalt im Land spürbar gewesen, stellte Bischof Scheuer fest. Viele Menschen hätten Einschränkungen und Verzicht in Verantwortung für das Gemeinwohl auf sich genommen. In der Krise wurde die Tragfähigkeit des österreichischen Sozialstaats unter Beweis gestellt. Die bewährte österreichische Tradition der Sozialpartnerschaft garantiere Stabilität und Verlässlichkeit und lege gute Grundlagen für eine solidarische Gesellschaft in Österreich. Scheuer strich dazu die Prinzipien der katholischen Soziallehre Person - Gemeinwohl - Solidarität - Subsidiarität und Nachhaltigkeit hervor.
"Wir haben allerdings auch erlebt, dass eine Krise nicht automatisch zu Solidarität führen muss", so der Bischof weiter. Es habe sich gezeigt, dass es keine homogene österreichische Gesellschaft gebe. Die Anliegen unterschiedlicher Interessenvertretungen auszutarieren, sei eine große Herausforderung gewesen. Es gehe nicht bloß um die Durchsetzung eigener Interessen, vielmehr "müssen jene, die sich für bestimmte Gruppen legitimerweise einsetzen, auch das Gemeinsame im Blick haben". Den Menschen sei in den vergangenen Monaten die Fragilität der Gesellschaft bewusst geworden. Es brauche daher das konstruktive Zusammenspiel von Wissenschaft, Politik und kulturellen und religiösen Akteuren. "Zusammenarbeit ist ein Wert und keine Schwäche", so Scheuer.
Haberlander sieht es als gesamtgesellschaftliche Aufgabe, "möglichst viel von dem 'Wir', das wir in den letzten Monaten aufgebaut haben, in einer Nach-Corona-Zeit mitzunehmen". Die Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 wurden von einer überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung befolgt. Die Krise habe gezeigt, dass jeder ein Teil des Ganzen ist, und habe gerade jene vor den Vorhang geholt, die das System am Laufen halten. Der Zusammenhalt in der Gesellschaft, das gute Umgehen mit Unterschieden, Brüchen und Konflikten, sei ein entscheidendes Ziel, das jede Anstrengung wert ist, so die Landeshauptmann-Stellvertreterin.
"Wenn wir in der Krise etwas lernen können, dann ist es dies: Das österreichische Sozialmodell mit seinen 'alten' Strukturen bewährt sich, wenn es darauf ankommt", resümierte Christin Spieß. Vor allem hätten sich jene Institutionen der Solidarität bewährt, die in den letzten Jahren politisch unter Druck geraten sind: das österreichische System der Sozialversicherung, das Kooperationsgefüge der Sozialpartnerschaft sowie die freie verbandliche Wohlfahrtspflege. Diese Institutionen prägten das österreichische Sozialmodell und seien wesentlich auf die katholische Soziallehre zurückzuführen. Die Notwendigkeit stabiler solidarischer Strukturen bestätigte sich auch dort, so Spieß, wo hinreichende Absicherungssysteme fehlten. Sozio-ökonomische Ungleichheit, Chancenungleichheit und gesellschaftliche Spaltung würden durch die anhaltende Corona-Krise verschärft.
Der Tagungsband "Die gespaltene Gesellschaft - Analysen, Perspektiven und die Aufgabe der Kirchen" umfasst 176 Seiten und ist Teil der Reihe "Schriften der Katholischen Privat-Universität Linz". Beiträge haben u.a. Univ.-Prof. em. Paul M. Zulehner, Sozialethiker Christian Spieß, die Direktorin der Diakonie Maria Katharina Moser und der Linzer Superintendent Gerold Lehner verfasst.
Quelle: kathpress