Senegal: "Das letzte Getreide haben wir auf die Familien aufgeteilt"
"Alle Vorräte sind aufgebraucht und wir haben im Dorf nichts mehr zu essen." - Der 56-jährige Yaya Ndiaye ist der Verwalter des örtlichen Getreidespeichers ("Getreidebank") in Sitaoulin im Südosten des Senegal. Im Lagerraum befinden sich noch zwei Säcke mit Korn, sonst herrscht auf den Paletten gähnende Leere. "Die letzten Reste haben wir unter den Familien hier aufgeteilt", erzählt Ndiaye. Eigentlich hätte das gelagerte Getreide auf den Märkten verkauft bzw. als Saatgut verwendet werden sollen und das habe in den vergangenen Jahren auch recht gut funktioniert - aber mit Corona ist nun die große Not eingekehrt.
Fatoumata Diallo lebt mit ihren Kindern und der Familie ihres verstorbenen Mannes in der Ortschaft Koussanar. Im Rahmen eines Caritas-Projekts konnte für die Dorfgemeinschaft ein großer Garten angelegt werden. Auch für die Wasserversorgung wurde vorgesorgt. "Seit Corona können wir aber nichts mehr auf den Märkten verkaufen. Alles ist geschlossen", erzählt die 49-jährige Witwe. Auch die Versorgung der Kinder sei schwieriger geworden: "Als die Kinder noch in die Schule gegangen sind, habe sie dort etwas zu essen bekommen. Jetzt müssen die Mütter hier im Dorf für das Mittagessen sorgen." Und das werde immer unmöglicher. "Damit wenigstens die nächste Ernte gesichert ist, bräuchten die Menschen jetzt Samen für das Gemüse und Saatgut für Getreide. "Aber das können wir uns derzeit nicht leisten." Derzeit sei es auch nicht möglich, einen Mikrokredit zurückzuzahlen, erzählt Fatoumata.
Im Nachbardorf die gleiche Situation: "Unser größtes Problem, ist der Hunger. Wir können nicht arbeiten, wenn wir hungern", erzählt Ramatou Mane. Sie bewirtschaftet mit vielen weiteren Frauen einen großen Gemüsegarten, "aber wir dürfen nichts mehr auf den Märkten verkaufen. Wir haben kein Einkommen".
Der Corona-Lockdown im westafrikanischen Land Senegal ist für die Bevölkerung inzwischen teils ebenso lebensbedrohlich wie das Virus selbst. Wobei Ramatou betont, dass sich die Menschen an die Hygienevorschriften halten würden. "Wir waschen uns vor dem Essen die Hände und achten bei der Arbeit in den Gemüsegärten auf Abstand." Fließendes Wasser gibt es in Ramatous Dorf freilich nicht. Sie zapft zum Händewaschen etwas Wasser aus einem Plastikkübel.
Hilfe zur Selbsthilfe
Im Senegal müsste eigentlich niemand hungern - und dies auch dank der Caritas: Die örtliche Caritas hat seit einigen Jahren mit Unterstützung aus Österreich in der ostsenegalesischen Diözese Tambacounda das Projekt "Compass" laufen: In 35 Dörfern werden insgesamt 950 Familien bei der Verbesserung ihrer Landwirtschaft unterstützt. Für den Getreideanbau (u.a. Hirse, Mais und Sorghum) erhalten die Familien im ersten Projektjahr Saatgut. Später wird der Zugang zu Saatgut durch die Organisation von Saatgutmärkten gesichert, wobei die Qualität des Saatgutes kontrolliert wird. Darüber hinaus erhalten die Bauern und Bäuerinnen Schulungen und begleitende Beratung.
Für die verbesserte Speicherung von Getreide wurden zwölf Getreidebanken aus festem Material gebaut. Durch den Anbau von Obst und Gemüse in 17 Gärten soll zudem die Ernährung der Familien verbessert werden. Hühner und Ziegen bekamen die Menschen dank der Spendenaktion "Schenken mit Sinn" der Caritas-Österreich. Den Überschuss aus den Gemüsegärten und Jungtiere verkaufen die Familien auf den lokalen Märkten und lukrieren so ein bescheidenes einkommen. - Soweit die Theorie. Die Realität ist in den vergangenen Monaten eine grausam andere.
Sorge um die Kinder
Abbe Bertin Sagna, Direktor der Caritas Tambakounda, macht sich vor allem auch um die unterernährten Kleinkinder Sorgen. Die Caritas bemühe sich, die Ernährung von mehr als 2.300 Kleinkindern sowie von schwangeren und stillenden Frauen durch die Verteilung von angereichertem Mehl zu verbessern.
"Hunger ist kein Naturereignis, sondern ein Skandal", so Caritas-Präsident Michael Landau. Der Senegal ist ein Schwerpunktland der heurigen Caritas-Hungerkampagne, die den ganzen Sommer über läuft. Da aufgrund der Covid-Krise eine geplante Pressereise in den Senegal nicht möglich war, machte die Caritas dieser Tage im Rahmen eines "virtuellen Besuchs vor Ort" auf die dringendsten Probleme aufmerksam; mit Liveschaltungen und Videos aus dem von Dürre, Corona und Hunger betroffenen Ostsenegal. Die Caritas-Tambakounda bemüht sich, 9.000 Familien in dieser schwierigen Zeit mit Hilfe aus Österreich zu unterstützen - mit Nahrungsmittelhilfe, aber auch mit neuem Saatgut.
Mit 20 Euro erhält eine Familie im Senegal Nahrungsmittel für einen Monat und wird umfassend über Covid-19 und Hygienemaßnahmen informiert. 20 Euro sichern aber auch notwendigen Milchzusatzbrei für drei Monate für ein Kleinkind als überlebenswichtige Notmaßnahme. Michael Landau: "Den Hunger können wir besiegen!"
Caritas Spendenkonto: Erste Bank, IBAN: AT23 2011 1000 0123 4560, Kennwort: "Hungerhilfe", online spenden unter www.caritas.at.
Quelle: kathpress