Polak zu Corona-Krise: Theologie muss Sprachlosigkeit überwinden
Eine weitreichende Sprachlosigkeit angesichts der Corona-Pandemie hat die Wiener Pastoraltheologin Prof. Regina Polak der Theologie attestiert. Zwar würde im Zusammenhang mit Corona nicht selten die Frage nach Gott und dem Leiden gestellt (Theodizeefrage) oder - wie zuletzt durch die österreichischen Bischöfe - die Dankbarkeit angesichts der erfolgreichen Eindämmung der Pandemie ins Zentrum gerückt; eine tatsächliche "theologische Situationsanalyse" bleibe jedoch zumeist aus. Dies sei jedoch "an der Zeit (...), um eine Basis für Handlungsperspektiven entwickeln zu können", schreibt Polak in einem Gastbeitrag in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung "Die Furche" (25. Juni).
Entsprechend plädiert Polak dafür, der Gottesfrage selbst wieder stärkere Aufmerksamkeit in den öffentlichen Wortmeldungen aber auch in der Seelsorge einzuräumen:
Die Frage nach Gott gehört ins Zentrum der Pastoral. Das Erinnern an die Wirklichkeit Gottes und der Schutz der Transzendenz des Menschen sind eine öffentliche Aufgabe der Kirche.
Andernfalls verwandle sich die Kirche "in ein rituelles Museum für ein Kultur-Christentum ohne spirituelle und gesellschaftsmitgestaltende Kraft", warnt die Theologin.
Als Beispiel für die theologische Sprachlosigkeit verweist Polak auf eine Umfrage der beiden Soziologen Franz Höllinger und Wolfgang Aschauer. Diese prognostizierten im Blick auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Glauben und Religiosität eine sich fortsetzende Erosion (Umfrageergebnis unter: https://viecer.univie.ac.at/corona-blog/corona-blog-beitraege/blog-53-religiositaet-in-zeiten-der-corona-krise/). Die Frage nach Gott bzw. die Frage, welche Rolle Gott im Leben Gläubiger in Krisenzeiten spiele, werde in dieser Umfrage jedoch nicht berücksichtigt.
Hoffnung auf rettenden Gott
Auch gebe es theologischerseits nachvollziehbare Vorbehalte gegen jede vorschnelle Identifikation geschichtlicher Ereignisse oder Situationen mit Gott. Gegenüber der Gefahr etwa der quasi-göttlichen Legitimierung von Gewalt und Terror hätten Theologen stets auf die Unverfügbarkeit Gottes gepocht - dennoch bleibe ein Unbehagen, so Polak, wenn Gott auf diese Weise selbst seitens der Theologie "hinweg- und kleingeredet" werde: "Müssen sich Christen in einer weitgehend säkularen Gesellschaft tatsächlich fürchten, mit den Verheißungen und Hoffnungen auf Gott Menschen zu überfahren?" Die hiesige Theologie könne diesbezüglich durchaus vom direkten Zugang der "Migrationstheologen des globalen Südens" hören, die ganz unverkrampft "ihre ganze Hoffnung auf einen rettenden Gott setzen".
Prof. Regina Polak gehört u.a. zu den Initiatorinnen des "Corona-Blogs" des Instituts für Praktische Theologie der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien, "theocare.network". Der Blog soll - wie es auf der Website heißt - dazu beitragen, "dass die globale Corona-Krise zu einem Lernort für eine bessere Zukunft in Kirche, Gesellschaft und Bildung wird."
Quelle: kathpress