"Ethik für Alle" erneuert Kritik an Gesetzesentwurf
Die Initiative "Ethik für Alle" erneuert ihre Kritik am vorliegenden Gesetzesentwurf zu einem Ethikunterricht als alternatives Pflichtfach: Der Ethikunterricht bzw. die beabsichtigte Einführung eines laut der Initiative defizitären Modells betreffe die Gesellschaft insgesamt und sei zu wichtig, als dass er in Form eines "koalitionären Kuhhandels" und ohne breite gesellschaftliche Debatte beschlossen werden dürfe. Das meinte der Sprecher der Initiative, Eytan Reif, bei einer Pressekonferenz am Dienstag in Wien.
Es stehe die Frage der gesellschaftlichen Wertevermittlung im Raum - ein Ethikunterricht allerdings "im Schatten des Religionsunterrichts" werde diesem Anliegen nicht gerecht; mehr noch werde durch die Bindung des Ethik- an den Religionsunterricht die stets betonte Trennung von Staat und Religion "endgültig zu Grabe getragen", so Reif. Schließlich werde durch die Koppelung des Ethikunterrichts an eine Abmeldung vom Religionsunterricht dieser defacto zu einem Pflichtfach. Dies könne man "natürlich nicht einfach so durchgehen lassen".
Laut Reif werde die Initiative ihre Kritik an dem in Begutachtung befindlichen Gesetzesentwurf auch offiziell einbringen. Zudem kündigte Reif an, dass man 35.000 Unterstützungserklärungen für die Einbringung eines Volksbegehrens gesammelt habe. Den Antrag dazu - mit einer gewünschten Eintragungswoche im Herbst - wolle man in der kommenden Woche stellen.
Zu Wort meldete sich im Rahmen der Pressekonferenz auch "Ethik für Alle"-Mit-Initiator Anton Bucher. Der Salzburger Religionspädagoge wehrte sich dabei gegen die "Unterstellung, dass ich gegen den Religionsunterricht sei". Dies sei "völlig unzutreffend", er spreche sich jedoch gegen jede Form der Funktionalisierung des Ethikunterrichts aus, die er im von der Regierung favorisierten Modell erkenne.
Kritik übte Bucher außerdem an der jüngsten Erklärung der Dekane der Katholisch-Theologischen Fakultäten. Diese hatten gefordert, Theologie neben anderen Fächern wie Religionswissenschaft, Soziologie etc. als Bezugswissenschaft für den Ethikunterricht im Gesetz festzuschreiben. Dies halte er für "sehr problematisch", da Theologie stets bekenntnisgebunden sei, der Ethikunterricht hingegen "offen und primär an der Philosophie orientiert".
Ähnliche Kritik übte auch die Philosophin Lisz Hirn an der Forderung der Dekane: Im Ethikunterricht habe die Theologie als Bezugswissenschaft "nicht verloren", da sie nicht mit einem nüchtern-abwägenden Fach wie etwa der Religionswissenschaft vergleichbar sei.
Als Sprecher der Dekane-Konferenz hatte in der Vorwoche bereits der Salzburger Dekan Prof. Alois Halbmayr auf die Bucher-Kritik reagiert und zurückgefragt: "Warum soll die Theologie keine Bezugswissenschaft für die Ethik sein können? Umgekehrt ist dies doch schon längst der Fall: Denn ganz selbstverständlich sind Philosophie und säkulare Ethik eine zentrale Bezugswissenschaft für die Theologie." Der Weg zu einem zeitgemäßen Verhältnis von Ethik- und Religionsunterricht zueinander führe jedenfalls nicht über "Abgrenzung und Ausschließung", sondern über "Kooperation, Austausch, Verständnis und Dialog", so Halbmayr gegenüber Kathpress. Nur so könnten beide Fächer ihren Auftrag für die Gesellschaft und für das Zusammenleben der Menschen erfüllen.
Quelle: kathpress