Wien: Endspurt für neue orthodoxe Kirche
In Wien wird dieser Tage intensiv an der neuen rumänisch-orthodoxen Kirche im Nordbahnviertel gearbeitet. Bis September sollen die Arbeiten so weit abgeschlossen sein, dass ab dann regelmäßig Gottesdienste stattfinden können. Das kündigt der zuständige rumänisch-orthodoxe Pfarrer Emanuel-Stefan Nutu in der neuen Folge des Kirchen-Podcast an. Gemeinsam mit dem Architekten-Ehepaar Mihaela Ionescu und Georg Baldass gibt der Pfarrer im Kirchen-Podcast, der unter anderem auf www.katholisch.at zu hören ist, einen Einblick in das Kirchenbauprojekt.
Pfarrer Nutu möchte mit seiner Kirche eine "spirituelle Oase" schaffen. Auf dem Areal des ehemaligen Nordbahnhofs in Wien-Leopoldstadt entsteht ein neuer Stadtteil mit rund 20.000 Wohnungen. "Die Menschen, die hier leben und leben werden, brauchen auch etwas für ihre Seele", betont der rumänisch-orthodoxe Geistliche. Deshalb ist es ihm auch sehr wichtig, dass die Kirche nicht nur für orthodoxe Christen, "sondern für alle Menschen offen steht, die hier leben".
Geplant wurde die Kirche vom Architekten-Ehepaar Mihaela Ionescu und Georg Baldass, das auch die rumänisch-orthodoxe Kirche an der Simmeringer Hauptstraße in Wien entworfen hat. Bei den Plänen für das neue Gotteshaus an der Bruno-Marek-Allee im Nordbahnviertel orientierten sie sich an den "klaren Formen" der rumänischen Moldau-Klöster in der Bukowina. Ein markantes Element der dortigen Klosterkirchen: Der Glockenturm steht frei neben dem Kirchenschiff. Das wurde auch für Wien so übernommen.
Wie Georg Baldass betont, handelt es sich bei den Moldau-Klosterkirchen um einen einfach gehaltenen Archetypus von Kirche, der sehr gut mit moderner Architektur korrespondiere. "Aufbauend auf dem Archetypus konnten wir unsere eigene neue Architektursprache entwickeln", so Baldass.
An der neuen Kirche wird derzeit noch letzte Hand angelegt, der Glockenturm ist hingegen schon fertig und mit drei Glocken bestückt, "die immer vor den Gottesdiensten läuten werden", so Pfarrer Nutu: "Die Glocken rufen uns zum Gebet."
Die Außenmaße der Kirche betragen rund 30 mal 10 Meter. Bis zu 400 Gläubige können dem Gottesdienst beiwohnen. Im Untergeschoß ist u.a. eine große Mehrzweckhalle eingerichtet, wo vor allem Pfarrveranstaltungen aber auch weitere Gottesdienste stattfinden können. Pfarrer Nutu: "In der orthodoxen Kirche soll an einem Altartisch nur ein Mal pro Tag Gottesdienst gefeiert werden. Wenn der Bedarf größer ist, dann bieten wir eben im Keller einen zweiten Gottesdienst an." Dazu habe man auch einen zweiten Altartisch geplant.
Ein Dorf in der Stadt
Bei dem Projekt im Wiener Nordbahnviertel geht es freilich um weit mehr als nur um einen Kirchenbau. Gleich neben der Kirche wurde ein großes Wohnhaus errichtet, das die rumänisch-orthodoxe Kirche als Ganzes gemietet hat. 46 Familien wohnen in dem Haus; die meisten davon rumänisch-stämmig, viele freilich auch schon österreichische Staatsbürger. Und es gibt natürlich auch Familien mit Wurzeln in beiden Ländern, so wie die Familie Baldass. Mihaela stammt aus Rumänien, Georg aus Österreich. Und schließlich wohnt auch Pfarrer Nutu mit seiner Frau und den fünf Kindern im Haus.
"Das ist eigentlich kein Wohnhaus, sondern ein kleines Dorf", so der Pfarrer: "Jeder kennt jeden, und jeder kann auch alles von jedem haben." Im Wohnhaus gibt es auch Gemeinschaftsräume und Gästezimmer. Prominentester Gast war bisher der für Österreich zuständige rumänisch-orthodoxe Bischof Serafim (Joanta). Er hat auch vor wenigen Wochen zum orthodoxen Pfingstfest den ersten Gottesdienst in der neuen Kirche geleitet und die Glocken geweiht.
Zum Wohnprojekt gehört auch ein Kindergarten, der im Erdgeschoß untergebracht ist. Dieser wird von der katholischen Nikolausstiftung betrieben, einer Einrichtung der Erzdiözese Wien. Georg Baldass: "Wir hätten auch einen eigenen rumänischen Kindergarten errichten können, aber das war von Anfang an kein Thema, denn die Nikolausstiftung macht das gut, und das ist ja auch wunderbar gelebte Ökumene."
"Sixtinische Kapelle des orthodoxen Orients"
Baubeginn war im Herbst 2018 und ursprünglich sollte der Kirchenbau bis März 2020 abgeschlossen sein, was aufgrund Coronakrise nicht möglich war. Nun sollen die Bauarbeiten bis einschließlich September beendet werden. 2021 beginnt dann die künstlerische Ausgestaltung der Kirche mit Fresken. Das Besondere an dieser Kirche: Sie wird nicht nur - wie sonst üblich - im Innenraum mit kunstvollen Fresken ausgemalt, sondern auch die Außenfassaden werden bemalt. Wie genau, steht noch nicht fest. Nur so viel: Auch in dieser Beziehung will man sich an den Moldau-Klöstern, die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählen, orientieren.
Obwohl die Moldau-Klöster erst im 15./16. Jahrhundert entstanden, wurden für den Freskenschmuck an Innen- und Außenwänden nur "Heilige der ungeteilten Christenheit" vor der Kirchenspaltung von 1054 ins Bild genommen. Inspirationsquelle Nummer Eins für die neue Kirche in Wien ist dabei das Kloster Voronet in der Bukovina. Die Klosterkirche gilt - nicht zuletzt wegen der eindrucksvollen Darstellung des Jüngsten Gerichts - als "Sixtinische Kapelle des orthodoxen Orients".
Damit wird die Kirche allein schon durch die Bilder auf ihrer Außenfassade die Botschaft des Evangeliums verkünden. Mihaela Baldass verweist darauf, dass sich gegenüber der Kirche ein großer Schulkomplex befindet, der im Herbst eröffnet werden wird: "Allein schon, wenn die Kinder über viele Jahre die Bilder an der Kirche sehen, wird das bei ihnen etwa auslösen." Pfarrer Nutu zur Frage, wie lange die Arbeiten an den Fresken dauern werden: "Es wird vielleicht nicht 10 Jahre dauern, aber wohl auch nicht viel weniger."
Kleinspender finanzieren "ihre" Kirche
Die Antwort auf die Frage, was der Kirchenbau in Summe kostet, blieben die Verantwortlichen schuldig. Nur so viel: Rund 300 Gläubige haben sich schon vor drei Jahren bereit erklärt, monatlich zwischen 5 und 50 Euro per Dauerauftrag zu spenden. "So kommt schon eine gewisse Summe zusammen und das war die Basis dafür, dass wir einen Kredit bekommen." Dazu kommen weitere finanzielle Zuwendungen der Kirche und auch großzügige Materialspenden. Auch vom rumänischen Staat ist etwas Geld geflossen. Von offiziellen Stellen in Österreich hingegen nicht. Weitere Spenden werden dringend erbeten.
Der von der ökumenischen Radioagentur "Studio Omega" produzierte Podcast ist nicht nur auf www.katholisch.at erschienen, sondern u.a. auch auf www.studio-omega.at, auf https://studio-omega-der-podcast.simplecast.com sowie u.a. auf iTunes, allen Smartphone-Apps für Podcasts und auf Spotify abrufbar.
Quelle: kathpress