Elbs über Caritas: Nothilfe und auch Anwaltschaft wichtig
Notsituationen zu lindern, aber auch Anwaltschaft als Sprachrohrfunktion für Menschen, "die nicht für sich selbst sprechen können" - das sind nach den Worten des Feldkircher Bischofs Benno Elbs zwei untrennbare Prinzipien des Caritas-Engagements. Wie der in der Österreichischen Bischofskonferenz für die Caritas zuständige Bischof im soeben erschienenen Sammelband "Christlich-soziale Signaturen" schrieb, gelte es dazu beizutragen, "eine Gesellschaft zu schaffen und zu erhalten, in welcher jeder Mensch die Möglichkeit hat, sich zugehörig zu fühlen und auch Anerkennung und Respekt zu erfahren".
In dem von der Politischen Akademie der ÖVP herausgegebenen Sammelband liefern 21 namhafte Autorinnen und Autoren - darunter einige aus theologischen Wirkungsfeldern - Beiträge zur Frage, was "christlich-soziale" Politik heute zu verstehen ist. Bischof Elbs bedauerte in seinem Aufsatz unter dem Titel "Sozialpolitik aus christlich-sozialer Sicht. Das Prinzip caritas in der Demokratie", dass das verkürzte Menschenbild des "homo oeconomicus" - verstanden als jemand, der nur am persönlichen Nutzen beziehungsweise dessen Maximierung interessiert ist - so etwas wie ein Leitmodell im heutigen Europa geworden sei. "Eine Gesellschaft muss aus mehr bestehen als aus wirtschaftlichen Faktoren und aus den sogenannten Leistungsträgerinnen und Leistungsträgern, die das wirtschaftliche System der Wertschöpfung am Leben halten", betonte er.
Wer gilt als "Leistungsträger"?
Ausgrenzung erfolge manchmal schon allein durch verbale Diskreditierung, wies Elbs auf Begriffe wie "soziale Hängematte" oder "Schmarotzer" hin. Aber auch Worte wie "Leistungsträger" trügen immer schon eine Abwertung jener in sich, "die (scheinbar) eine klassische (Arbeits-)Leistung nicht erbringen können".
Wer in einer Demokratie gehört, gesehen und anerkannt wird, ist laut dem Bischof "nicht von der Natur oder von Gott vorbestimmt, sondern hängt von politischen Entscheidungen ab". Mögliche Barrieren für eine allen zukommende Teilhabe könnten ökonomische Gründe haben; zu fragen sei aber auch danach, ob Menschen auch anders und über ihre Geldmittel hinaus Möglichkeiten haben, sich in die Gemeinschaft einzubringen und sich als Teil eines größeren Ganzen zu fühlen.
Wird etwa die Mindestsicherung gekürzt, kann dies nach den Worten von Elbs zwar bedeuten, dass die Beziehenden sich noch die lebensnotwendigen Güter wie Lebensmittel oder eine Wohnung leisten können, nicht aber einen Besuch im Café mit Freunden: "Die monetäre Situation ist eine wichtige Grundvoraussetzung für Teilhabe an unserer Gesellschaft. Ist diese Teilhabe nicht gesichert, schwächt dies auch unsere demokratische Gesellschaft als Ganzes."
Menschen brauchen "genug monetäre Luft"
Politische Entscheidungen und Maßnahmen müssen nach Überzeugung des "Caritas-Bischofs" so gefällt werden, "dass sie Menschen genug (monetäre) Luft lassen, um sich auch in einer konsumorientierten Gesellschaft bewegen zu können". Die Caritas setze sich für eine ökonomisch gerechtere Welt ein, in der jedes Mitglied einer Gesellschaft nicht in Armut oder ohne soziale Teilhabe leben muss. Gleichzeitig versuche die katholische Hilfsorganisation, eine Gemeinschaft mitzugestalten, in der ein Zusammenhalten von unterschiedlichsten Menschen möglich wird.
Warum sich die Caritas als Mahnerin und Anwältin ihrer Klienten auch in gesellschaftspolitische Fragen einmischt, hat laut Elbs mit ihrem permanenten Kontakt - in Sozialberatungs- und Notschlafstellen, in Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe, in Alten- und Behindertenheimen, in Integrations- und Arbeitsmarktprojekten - mit Menschen zu tun, die sozialpolitische Entscheidungen direkt betreffen. Dadurch könne die Caritas auch die kurz-, mittel- und langfristigen Konsequenzen politischer Entscheidungen gut abschätzen. Grundlegend sei die auf dem christlichen Menschenbild basierende Überzeugung, dass der Blick auf die Ärmsten sowie der Einsatz für benachteiligte Gruppen von großer Bedeutung für die gesamte Gesellschaft und deren Fortentwicklung sind. Bischof Elbs: "Eine Gesellschaft muss sich immer daran messen lassen, wie sie mit ihren schwächsten Mitgliedern umgeht."
Christliche Sichtweisen bringen in dem neuen Sammelband auch einige an Universitäten lehrende Theologinnen und Theologen ein: Regina Polak, Ingeborg Gabriel und Matthias Beck (allesamt Wien), Clemens Sedmak und Emmanuel J. Bauer (Salzburg), Veit Neumann (St. Pölten) und Martin Rhonheimer (Rom). Herausgegeben wurde der Band "Christlich-soziale Signaturen. Grundlagen einer politischen Debatte" von Bettina Rausch und Simon Varga, er umfasst 452 Seiten und kostet 14,90 Euro.
Quelle: kathpress