Schönborn: "Normal, dass sich Kirche in Politik einbringt"
"Nach 22 Jahren Amtszeit und mit 75 Jahren ist es richtig, das Amt des Vorsitzenden der Bischofskonferenz in jüngere Hände zu legen." - Das hat Kardinal Christoph Schönborn im Kathpress-Interview bekräftigt. Er sei zugleich sehr froh über die Wahl von Erzbischof Franz Lackner zu seinem Nachfolger. Schönborn erläuterte im Interview, wie sehr sich die Stimmung in der Bischofskonferenz zum Besseren gewandelt habe und weshalb er es als sowohl dringlich wie auch selbstverständlich ansieht, dass sich die Kirche für ihre Anliegen in den politischen Prozess einbringt.
1998 übernahm Schönborn den Vorsitz in der Bischofskonferenz vom Grazer Bischof Johann Weber (1927-2020). Die ersten Jahre, bis etwa 2004/05, seien sehr schwierig gewesen, gestand Schönborn. Dann sei nochmals 2010 mit der Missbrauchskrise eine weitere große Herausforderung angestanden, so der Kardinal.
Nochmals zu den Anfangsjahren: "Wir hatten ganz schwierige Zeiten, in denen es praktisch in jeder Konferenz zu Konflikten gekommen ist." Dabei sei es um thematische aber auch um persönliche Konflikte gegangen, so Schönborn. Diese Zeit sei vorbei. Das Klima in der Bischofskonferenz habe sich enorm verbessert.
"Es herrscht eine große Einmütigkeit bei zugleich großer Verschiedenheit. Die Bischöfe sind sehr verschieden, jeder mit seiner eigenen Persönlichkeit. Aber es herrscht ein gutes Einvernehmen und ein sehr gutes, nachdenkliches und durchaus auch humorvolles Miteinander".
Höhepunkte in seiner Amtszeit als Vorsitzender waren sicherlich die Papstbesuche 1998 (Johannes Paul II.) und 2007 (Benedikt XVI.). Schönborn nannte weiters auch den Mitteleuropäischen Katholikentag mit der Wallfahrt der Völker nach Mariazell 2004. Leider habe dieser Katholikentag nicht ganz die erhoffte Wirkung gebracht, "nämlich ein intensiveres Miteinander der Kirchen jener der acht Länder, die dabei waren". (Anm.: Tschechien, Slowakei, Ungarn, Polen, Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina und Österreich.) Und auch die Ad-limina Besuche der österreichischen Bischöfe unter seinem Vorsitz wolle er im Rahmen der Höhepunkte nennen, so der Kardinal. Er sprach damit auf die Besuche der österreichischen Bischöfe 2005 bei Papst Benedikt XVI. und 2014 bei Papst Franziskus an.
Schönborn bedankte sich im Interview auch beim Generalsekretariat der Bischofskonferenz, dass ihn bei seiner Arbeit sehr unterstützt habe. Die Aufgabe des Vorsitzenden sei vor allem eine der Koordination. Es sei ihm in seiner Zeit als Vorsitzender dabei immer sehr wichtig gewesen, dass jeder Bischof sein eigenes Ressort hat, ähnlich den Ministerien in einer Regierung. Diese Ressorts würden von den Bischöfen in großer Eigenverantwortung geleitet. Gerade als Wiener Erzbischof und Kardinal habe er natürlich auch viele Beziehungen zur Bundespolitik gepflegt, doch alle Bischöfe hätten sehr intensive Kontakte zur Landespolitik, "und ich glaube, das macht sehr viel von der Lebendigkeit unseres Landes aus".
Einfluss auf Gesetzgebung ist normal
Eindringlich bekräftigte der Kardinal, dass sich die Kirche gesellschaftspolitisch zu Wort melden muss. Zur Demokratie gehört es wesentlich dazu, dass sich jeder, und damit auch die Religionsgemeinschaften, mit den eigenen Anliegen und Sorgen öffentlich zu Wort meldet und auch versucht, Einfluss auf die Gesetzgebung zu nehmen. Schönborn: "Ich habe nie verstanden, warum man sich darüber aufregt, dass die Kirche versucht, Einfluss auf die Gesetzgebung zu gewinnen. Das macht auch die Industrie, die Wirtschaft macht das oder auch die Arbeiterkammer. Was ist da Besonderes dran? Was ist daran unehrenhaft, wenn man es ehrenhaft mach?" Die Kirche habe nur die Kraft der Argumente; und darauf komme es in einer Demokratie schließlich an.
"Es wird ein Nachfolger kommen"
Zur Frage, wann es einen neuen Erzbischof von Wien geben wird, konnte Schönborn nichts Näheres sagen: "Es wird ein Nachfolger kommen. Wann dieser aber kommen wird, das weiß ich nicht. Ein reguläres Verfahren dauert eben seine Zeit; erfahrungsgemäß sind das mehrere Monate, hoffentlich nicht mehrere Jahre". Nachsatz: "Ich freue mich auf jeden Fall über jeden, der mein Nachfolger wird, und ich werde auf jeden Fall loyal zu ihm sein".
Auf die Erfahrungen aus der Coronakrise angesprochen, meinte der Erzbischof, dass es in der Kirche sehr viel Kreativität gegeben habe. Er nannte etwa die zahlreichen Livestream-Gottesdienste, aber auch soziale Aktionen und die tägliche Nachbarschaftshilfe. Zugleich sei von Anfang an wichtig gewesen, "dass die Kirchen offen bleiben". Das sei leider medial nicht immer entsprechend vermittelt worden. Schönborn: "Die Kirchen waren weitestgehend offen, sodass die Menschen jederzeit untertags in die Kirchen gehen konnten, einzeln oder mit der Familie."
Persönlich sei er sehr gut durch die Coronazeit gekommen, berichtete der Kardinal. Das Herunterfahren des öffentlichen und kirchlichen Lebens sei seiner angeschlagenen Gesundheit sehr zugutegekommen. Er habe in diesen Monaten Kräfte sammeln können, "aber ich bin jetzt in dem Alter angekommen, in dem ich real bin. Das spürt man."
Quelle: kathpress