Zulehner legt Bischofskonferenz "Kirchenparlament" ans Herz
"Warum sollte sich die Kirche in Österreich nicht eine Art 'Kirchenparlament' einrichten, in dem alle gemeinsam beraten und entscheiden?" Diese Frage hat der Wiener Theologe Paul Zulehner anlässlich personeller Weichenstellungen in der Österreichischen Bischofskonferenz gestellt, wo Erzbischof Franz Lackner den Vorsitz von Kardinal Christoph Schönborn übernommen hat. In seinem Gastkommentar im "Standard" wies Zulehner am Samstag darauf hin, dass Österreichs Kirche laut den Ergebnissen der Langzeitstudie "Religion im Leben der Österreicher*innen 1970-2020" in einer "dramatischen Umbauzeit" stecke. Diese könne nur mit breiter Partizipation gemeistert werden. "Nur wenn viele Kirchenmitglieder mitgestalten und mitentscheiden können, werden sie sich künftig identifizieren und engagieren", schrieb Zulehner. Papst Franziskus habe dies klar erkannt und setze auf den Ausbau der Synodalität.
Österreichs Kirche brauche erheblich mehr Synodalität, "und das nicht als Einmalevent" wie beim "Dialog für Österreich" nach den Turbulenzen der Causa Groer, "sondern als Dauereinrichtung". Die Bischöfe müssten bei einem etwaigen "Kirchenparlament" von Amtswegen lediglich darauf achten, dass die Beschlüsse "in der Spur des Evangeliums bleiben", erklärte der Pastoraltheologe und Religionssoziologe. "Dass nur sie über das Geld verfügen, davon steht nichts im Evangelium."
Mit Hilfe eines breit aufgestellten Entscheidungsgremiums könnte Österreich laut Zulehner sogar etwas initiieren, "was erst nach Jahren weltkirchliche Akzeptanz findet - zum Beispiel die Weihe von bewährten Person für lebendige Gemeinden". Das Argument, wichtige Fragen könnten nur in weltkirchlichem Gleichschritt gelöst werden, "sticht unter Papst Franziskus nicht mehr".
Zur Vorsitzübergabe von Kardinal Schönborn an Erzbischof Lackner schreibt der Theologe, die Apostolische Visitation in der konfliktgeladenen Diözese Gurk-Klagenfurt sei letzterem gut gelungen, "weil er sich fähige Leute in sein Team geholt hatte, allen voran den einfühlsamen Benno Elbs". Nun wolle man Lackner zurufen: "Setz weiter auf breite Beratung!"
Schon Schönborn habe den Vorsitz der Bischofskonferenz in einer "dunklen Zeit" nach dem Missbrauchsskandal um Kardinal Groer und unliebsamen Bischofsernennungen übernommen und seine Amtszeit hatte "mutig begonnen", würdigte Zulehner dessen öffentliches Einbekennen, dass an den Vorwürfen gegen Groer etwas dran sei. Schönborn habe sich etwa im Umgang mit Homosexuellen und wiederverheiratet Geschiedenen als "ausgezeichneter Seelsorger" erwiesen, sei ein "exzellenter Dogmatiker", dessen Kompetenz Papst Benedikt XVI. bei der Redaktion des Weltkatechismus genutzt habe. "Der polyglotte Kardinal war weltkirchlich sehr präsent, manche handelten ihn sogar als papabile", so Zulehner. Wie schon Kardinal König habe auch Schönborn "das weltkirchliche Parkett mehr als die ortskirchlichen oder gar erzdiözesanen Niederungen" geliebt.
Dies habe sich "in der dem Kardinal zunehmend leidigen diözesanen Strukturreform" der Kirche in Wien gezeigt. Der Kardinal setzte hier auf eine Steuerungsgruppe, in der laut Zulehner die spirituelle Bewegung Emmanuel mehr zu sagen gehabt habe bzw. habe als pastoral erfahrene Persönlichkeiten. Die frankophile Vorliebe des Kardinals für "geistliche Bewegungen" erkläre, warum man ihm die Wertschätzung der Pfarrgemeinden, der oft übersehenen Orden oder der Katholischen Aktion unentwegt abringen haben müsse. "Das downsizing des sterbenden Kirchenbetriebs hat dabei noch keine gute Zukunft. Es reicht nicht mehr, im Rahmen, sondern muss den Rahmen reformieren und erneut den Tiefgang des Evangeliums erreichen", so der Theologe.
Quelle: kathpress