Wiener Weihbischof Scharl:
Migrantengemeinden bewährten sich in der Coronakrise
Wiener Weihbischof Scharl:
Migrantengemeinden bewährten sich in der Coronakrise
Große Wertschätzung für den Umgang der anderssprachigen katholischen Gemeinden mit der Covid-19-Pandemie hat Weihbischof Franz Scharl bekundet. Seit den Wochen des Lockdowns sei deutlich spürbar gewesen, "dass Migranten mit existenziellen Herausforderungen vertraut sind - und dass Christsein für sie nicht nur Liturgie, sondern das gesamte Menschsein betrifft". Wichtig war bei den anderssprachigen Gemeinden daher in diesen Tagen "die gegenseitige Hilfe, die Unterstützung und das Zusammenstehen", sagte der in der Wiener Erzdiözese und Bischofskonferenz für die anderssprachige Seelsorge zuständige Bischof am Mittwoch im Interview mit Kathpress.
Allein in Wien ist jeder fünfte Katholik anderssprachiger Herkunft. Viele aus dieser Gruppe leben ihren Glauben in ihrer Muttersprache - in den rund 30 verschiedenen Gemeinden der Bundeshauptstadt, die ähnlich wie Pfarren strukturiert sind und in der Regel Räumlichkeiten deutschsprachiger Pfarrgemeinden mitnutzen. Die Anforderungen durch das plötzliche Versammlungsverbot wurden von diesen Gemeinden mit viel Einfallsreichtum, Einsatz und entsprechend der kulturellen Eigenheiten gemeistert, verdeutlicht ein Situationsbericht, den Alexander Kraljic, Generalsekretär der Arbeitsgemeinschaft Anderssprachiger Gemeinden der Erzdiözese Wien (ARGE AAG), erstellt hat.
Trotz des verordneten physischen Abstandhaltens wurde der Kontakt zwischen den Gemeindemitgliedern sogar noch intensiver. Nachrichten auf Messengerdiensten, Audio- und Videoclips, Anrufe und Rundbriefe waren laut dem Bericht fixe Begleiter der Corona-Zeit. Es wurden auf diesen Kanälen auch Gebetsanliegen gesammelt, welche etwa die lateinamerikanisch-spanischsprachige Gemeinde bei ihren in der Wiener Missio-Kapelle gefeierten Sonntagsmessen direkt in den Livestream einspeiste. Die Persisch-Afghanische Gemeinde versandte mittels Messengerdienst Gebete, Tageslesungen, Fotos und Kurzvideos, während die indonesische Gemeinde via Facebook sogar täglich einen Gottesdienst mit eucharistischer Anbetung feierte.
Sozialdienste, Übersetzungen und Gebete
Die indische syro-malabarische Gemeinde berichtete von Seelsorge via Internet, Telefon und E-Mail sowie von Sozialinitiativen ihrer Jugendlichen, um die älteren Menschen der Gemeinde mit Lebensmitteln, Medikamenten und Dingen des täglichen Bedarfs zu versorgen. Geschätzt worden sei auch die Übersetzung von Nachrichten zum Thema Coronavirus in die Muttersprache, wie es etwa die vietnamesische Gemeinde bot. "Es ist, als gäbe es keine Distanz mehr zwischen dem Vatikan, unserer Gemeinde und der Kirche in der ganzen Welt", wird im Bericht die Koordinatorin der brasilianischen Gemeinde zitiert.
In der "besonderen Zeit" der letzten Pandemie-Monate hätten die Gemeinden jedoch zusätzlich auch die Beziehungen zu den Herkunftsländern intensiv gepflegt, legte Laszlo Vencser, Nationaldirektor für die fremdsprachige Seelsorge, dar. So hätten etwa die Mitglieder der maronitischen Gemeinde die Osterfeierlichkeiten im Libanon virtuell mitgefeiert. Die indonesische Gemeinde habe viel für die Regierung zuhause und für "richtige Entscheidungen in der Corona-Situation" gebetet. Mitglieder der englischsprachigen afrikanischen Gemeinde Wiens erinnerten ihre Kontakte in der Heimat an die Bedeutung der Einhaltung der Covid-19-Maßnahmen und erhielten von ihnen, als in Österreich die Corona-Krise auf ihrem Höhepunkt war, "geistige und moralische Ermutigung" und Beistand im Gebet, heißt es im Bericht.
Virtuell in der Heimat
Dass die Liturgie ins Internet wanderte, brachte bei den anderssprachigen Gemeinden auch neue Phänomene hervor: So wurden Livestream-Talks und -Gottesdienste von in Österreich stationierten Priestern - etwa aus Eritrea und Philippinen - teils von tausenden Menschen aus aller Welt mitverfolgt, während umgekehrt auch die Diözesen und Pfarren der Heimat-Kirchen viele Angebote ins Internet stellten und von Migranten weltweit - darunter auch aus Österreich - genutzt wurden. Besonders aktiv war hier die syro-malabarische Gemeinde, deren Mitglieder sich via Bildschirm eifrig an Bibel-Auslegungen, Exerzitien, geistigen Impulsen, Vorträgen und religiöse Musikevents im indischen Heimatbundesstaat Kerala beteiligten.
Viele der Migranten hätten den Verwandten und Bekannten in der Heimat angesichts von Notsituationen wie etwa Arbeitsplatzverlust oder Hunger geholfen, durch Überweisungen oder die Botschaft des jeweiligen Landes. Schmerzlich sei es dennoch für viele gewesen, wegen der gesperrten Grenzen nicht selbst zu Besuch fahren zu können - weshalb man auch in dieser Beziehung auf Ersatzformen wie Telefon und andere elektronische Medien angewiesen war.
Eine besondere Form der Solidarität gab es jedoch bei der rumänisch-unierten Gemeinde, die für Saisonarbeiter aus Tirol und Salzburg, die nicht nach Hause fahren konnten, Unterkünfte bei rumänischen Familien organisierte.
Quelle: Kathpress