Aufruf zu "Pandemie der Solidarität"
Zu einer "Pandemie der Solidarität" hat der Pastoraltheologe Prof-Paul Zulehner aufgerufen. Er stand am Pfingstsonntag einer Wort-Gottes-Feier in der Basilika am Weizberg vor. "Lasst uns die 'Pandemie der Covid-19-Krise' umwandeln in eine 'Pandemie der Solidarität'", so Zulehner wörtlich in seiner Predigt. Solidarität sei dabei aber kein frommes Gefühl, "sondern eine handfeste Tauglichkeit, Tugend und Kompetenz, die ermutige, sich für jene einzusetzen, die das Virus mehr als andere trifft und die daher zu den Hauptbetroffenen der Pandemie zählen". Der Gottesdienst war der Abschluss des diesjährigen pfingstlichen Programms der "Weizer Pfingstvision", das heuer coronabedingt fast ausschließlich online stattfand. Auch der Gottesdienst wurde im Livestream übertragen.
Man befinde sich derzeit in einer ungewohnten Zwischenzeit, so Zulehner in seiner Predigt: "'Liminal time' nennen das die spirituellen Meister und sie meinen damit eine Zeit, in der gewohnte Verhältnisse schlagartig enden und noch nicht klar ist, was kommen wird. Es ist die Zeit zwischen einem Davor und einem Danach." Zulehner warnte davor, vorschnell von einer rosigen Zukunft zu träumen oder einfach unreflektiert davon zu sprechen, dass jede Krise auch eine Chance in sich berge: "Für mich ist das ein gar schnell hingesagter und für manche Betroffene sogar ein unerträglicher Satz. Vor allem dann, wenn nicht unmissverständlich klar dazugesagt wird, dass solche pandemische Krisen herausfordern und mit hoher Anstrengung aller gemeistert werden müssen; und dass Chancen, wenn es sie gibt, hart zu erarbeiten sind."
Der Theologe verwies auf das Pfingstereignis, wie es in der biblischen Apostelgeschichte beschrieben wird. Die Jünger befanden sich nach dem Tod Jesu und der Auferstehung, die sie noch nicht so recht verstanden hatten, auch in einer Art Zwischenzeit. Doch zu Pfingsten hätten sie gespürt: "Da tut sich etwas, das geschieht etwas mit uns, das uns erfasst hat." Das erste Ergebnis dieses Pfingstereignisses seien - modern übersetzt - internationale Sprachbegabung und ein erweitertes Einfühlungsvermögen gewesen, so Zulehner: "Die einfachen Galiläer begannen sich so empathisch auszudrücken, dass sich alle verstanden fühlen konnten, die sie hörten. Er wurde ihnen geschenkt zu begreifen, wie es den anderen ergeht und dass sie, die einander Fremden, einander verstehen konnten."
Solche Erfahrungen würden auch der Kirche guttun: "Nicht die anderen müssen unsere Sprache als Wissenschaftler oder Kirchenleute und damit unsere Kultur und Ansichten lernen, sondern wir lernen Empathie in die Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Anderen. Gottes Geist geschenkt den provinziellen Jüngern aus Galiläa die Fähigkeit, zu verstehen, wie es Anderen geht und was sie bewegt und wie sie davon erzählen. Ihr Horizont weitet sich. Die Fähigkeit, andere Länder, Europa, die ganze Welt in den Blick zu nehmen, wird vom Geist geschenkt."
"Pandemie der Empathie"
Eine Art "kommunikative Pandemie" spiele sich ab, die sich zu einer "Pandemie der Empathie" weite, so Zulehner. Denn wer die Sprache der anderen spricht, lerne durch diese die anderen zu verstehen und könne sich einfühlen. Zulehner: "Das wäre ein wahrhaft pfingstliches Geschenk an uns heute, würde uns die Fähigkeit geschenkt, nicht nur die Ängste und Hoffnung der Menschen bei uns zu verstehen, sondern der Menschen aller Völker in der einen Welt." Pfingsten habe aus Provinzlern Weltbürgern gemacht. Zulehner: "Gottes Geist weitet unsere Blicke und unser Herz zu allen Völkern der Erde. Er macht uns im strengen Sinn dieses Wortes katholisch - alle umfassend."
"Das Virus trifft nicht alle gleich!"
Der Pastoraltheologe warnte in seiner Predigt auch vor dem leichtfertig dahingesagten Satz "Vor dem Virus sind alle gleich". Dieser gehöre erweitert: "Vor dem Virus sind alle gleich. Aber das Virus trifft nicht alle gleich! Es trifft die Schwarzen in den USA mehr als die Weißen. Das reiche Österreich kann sich weit besser helfen als das wirtschaftlich bedrängte Ecuador. Der nordkoreanische Diktator Kim Jong Un kann sich in seinen privaten Luxuszug setzen und in einen geschützten Badeort fahren. Aber die zusammengepferchten Menschen im Flüchtlingslager Moira in Griechenland haben diese Möglichkeiten nicht." Das Corona-Virus benehme sich wie ein Gerechtigkeits-sensibler Investigationsjournalist. Es decke unverblümt vorhandene himmelschreiende Ungerechtigkeiten in der einen Welt auf.
Schon bisher sei ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung überdurchschnittlich belastet worden. Ein Prinzip müsse auf jeden Fall gelten, so Zulehner unter Verweis auf den deutschen Journalisten Heribert Prantl: "Aus Notmaßnahmen darf nicht maßlose Not werden."
Petrus habe, inspiriert durch den herabfahrenden Gottesgeist, eine zündende Pfingstpredigt gehalten und zur Umkehr aufgerufen: "Schaut nach vorne und vertieft Euer Leben, verlasst das enge Gefängnis Eurer Angst und werdet wahrhaft solidarisch liebende Menschen!", fasste Zulehner die ermutigende Botschaft zusammen, "die auch heute von Pfingsten ausgeht".
Papst-Franziskus-Pilgerweg
Im Rahmen der "Weizer Pfingstvision 2020", die im Internet durchgeführt wurde, standen beispielsweise bis 30. Mai tägliche "Pfingstimpulse", u.a. von Prof. Zulehner und dem Jesuiten P. Andreas Batlogg, auf dem Programm.
Neu ist seit einigen Wochen zudem der Papst-Franziskus-Pilgerweg von der Grazer Basilika Mariatrost zur Basilika am Weizberg. Wer sich auf 24 Kilometer und eine Gehzeit von rund sechseinhalb Stunden einlässt, kann mittels Mobiltelefon Hörtexte und Videos über Papst Franziskus abrufen, die von bekannten Persönlichkeiten gestaltet wurden: Der mit der "Weizer Pfingstvision" seit langem verbundene Wiener Theologe Prof. Zulehner stellt den Papst als "Reformer" vor, ORF-Rom-Korrespondentin Mathilde Schwabeneder als "Provokateur", der Jesuit und Publizist Andreas Batlogg zeichnet Franziskus als Mystiker. Die Schriftstellerin Andrea Sailer sieht den Papst als "Revolutionär des Glücks, der Autor und ehemalige Leiter der ORF-Abteilung Religion im Hörfunk, Hubert Gaisbauer, skizziert ihn als Bewahrer der Schöpfung. Abrufbar sind alle diese Impulse über den QR-Code bei jeder Station auf das eigene Handy oder über die Web-Adresse www.pfweg.eu.
Fery Berger von der "Weizer Pfingstvision", einer der Initiatoren des Weges, berichtete gegenüber Kathpress, dass sich trotz coronabedingter Einschränkungen bis zu 200 Pilger pro Tag auf den Weg machen würden.
Infos: www.pfweg.eu bzw. www.pfingstvision.at
Quelle: kathpress