Kirchliche Umweltreferenten: Durch Krise zu mehr Nachhaltigkeit
Die Befürchtung, dass im Bemühen um ein "Hochfahren" der Wirtschaft ökologische Ziele hintanstehen müssen, ist "nicht von der Hand zu weisen". Laut den Umweltreferenten der katholischen Kirche gibt es aber "Hoffnungszeichen" wie z.B. den offenen Brief von Forschern zu Klima und Luftqualität an die Regierung oder die Forderung nach einem "Klima-Corona-Deal für Österreich", der sich mehr als 100 Organisationen, Wissenschafter, Religionsgemeinschaften und kirchliche Organisationen anschlossen - darunter die ökumenisch strukturierten kirchlichen Umweltbeauftragten Österreichs. "Wir hoffen sehr, dass die Krise als Chance genützt wird - auch in Richtung einer stärkeren Nachhaltigkeit in der Wirtschaft", erklärte Markus Gerhartinger als deren Vertreter.
Im Interview mit Kathpress wies der Umweltbeauftragte der Erzdiözese Wien am Montag darauf hin, dass es auch von Vizekanzler Werner Kogler und von Umweltministerin Leonore Gewessler "eine klare Positionierung in Richtung 'Green Deal'" gebe. Die Aussage in der Papst-Enzyklika "Laudato si", wonach das Klima ein "gemeinschaftliches Gut von allen und für alle" ist, sei jedenfalls "aktueller denn je", betonte Gerhartinger.
Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie und der rigiden Maßnahmen zu deren Bekämpfung sagte der kirchliche Experte, bis vor drei Monaten hätten sehr viele Menschen einen so weitreichenden Turnaround für unmöglich gehalten. "Wir wissen jetzt, dass das sehr wohl geht, wenn es sein muss." Die Auswirkungen der Klimakrise würden aber - "so wir nicht schleunigst unser Verhalten ändern" - deutlich schlimmer ausfallen als jetzt bei Corona, warnte Gerhartinger. Und diese Folgen seien auch nicht durch eine Impfung aus der Welt zu schaffen. "Das sollte uns allen zu denken geben und unsere Lebensstiländerung vorantreiben!"
Die jetzige Krise habe auch viele soziale Begleiterscheinungen; Gerhartinger verwies auf die Abhängigkeit von bestimmten Produkten oder Berufsgruppen wie Erntehelfer, 24-Stunden-Pflegenede oder Leiharbeiter als Beispiele. Er fürchte, dass der "reiche Westen" es sich in vielen Bereichen wieder richten wird und die "Schwächsten in der Kette" am stärksten betroffen sein werden. Die Kirche müsse hier Anwaltschaft übernehmen und ausbeuterische Strukturen bekämpfen.
"Schöpfung" rückt vom Rand in die Mitte
Auf die Frage, was "Laudato si" konkret in seinem eigenen Zuständigkeitsbereich angestoßen hat, antwortete der Wiener Umweltbeauftragte, die Akzeptanz und der Wert der kirchlichen Umweltarbeit sei stark gestiegen: "Die kirchlichen Bemühungen in diese Richtung werden viel ernster genommen - außerkirchlich bei Umweltschutzgruppen und NGOs - und innerkirchlich viel ernster betrieben. Gerhartinger: "Waren vor 'Laudato si' die 'Umweltbewegten' in der Kirche in vielen Fällen ein geduldete Randerscheinung, sind jetzt immer mehr Pfarren, Diözesen und Ordensgemeinschaften dabei, sichtbar und wirksam für die Schöpfung einzutreten und schöpfungsfreundlich zu handeln." Verantwortung für die Schöpfung sei vom Rand weiter ins Zentrum des kirchlichen Selbstverständnisses gerückt, freute sich der Experte.
Auch wenn einige Diözesen formal "in dem ein oder anderen Punkt säumig sind" - etwa beim Beschluss eigener Nachhaltigkeitsleitlinien -, geschehe vieles in allen Diözesen. Aus Sicht der Umweltbeauftragten sei es unerlässlich, in Personal und Umsetzungsschritte zu investieren, sagte Gerhartinger.
Anlässlich des 5-Jahres-Jubiläums von "Laudato si" geplante Veranstaltungen und Aktivitäten seien zum Teil dem Corona-Virus zum Opfer gefallen. Die Diözese Graz-Seckau lädt am 19. Juni zu einem Onlineseminar zum Thema "Schöpfungsverantwortung in Pfarre und Seelsorgeraum". In der "Schöpfungszeit" von 1. September bis 4. Oktober soll jeden Tag ein Umweltbeispiel einer österreichischen Pfarrgemeinde vorgestellt werden, kündigte Gerhartinger einen "Ansporn für andere zu der in 'Laudato si' geforderten ökologischen Umkehr" an. (Info: www.schoepfung.at)
Quelle: kathpress