Kardinal im Interview
Neustart nach Corona-Krise
Kardinal im Interview
Neustart nach Corona-Krise
Nach der Corona-Krise darf nicht vor der Corona-Krise werden. Das hat Kardinal Christoph Schönborn am Mittwoch im Kathpress-Interview betont. Es brauche vielmehr einen gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und auch kirchlichen Neustart, so der Kardinal, der diesbezüglich eine konstruktive politische bzw. gesellschaftliche Debatte einforderte. Er sprach sich für intensive Auseinandersetzungen aus, "aber das ist etwas wesentlich anderes als Bashing, Hasspostings, Vernadern und systematisches Schlechtmachen." Ausdrücklich hob der Vorsitzende der Bischofskonferenz die Notwendigkeit der Medienfreiheit und der Pluralität der Medien hervor.
Schönborn erinnerte an die politische Krise des vergangenen Sommers. Bundespräsident Alexander Van der Bellen habe dabei immer wieder auf die Verfassung verwiesen, die Österreich einen stabilen Rahmen gegeben hat. Dieser Verfassung wollten die heimischen Bischöfe nun noch die sieben Grundhaltungen der Dankbarkeit, Verbundenheit, Solidarität, Wertschätzung, Achtsamkeit, Lebensfreude und Vertrauens beigeben, wie sie in ihrem aktuellen Hirtenwort zum Pfingstfest 2020 schreiben. Diese sieben Grundhaltungen seien weit über den Kreis der gläubigen Katholiken hinaus "für unser Land entscheidend für die kommende Zeit", zeigte sich Schönborn überzeugt.
Hier können Sie das Hirtenwort herunterladen
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Das Pfingstfest falle heuer mit der behutsamen Öffnung nach dem Lockdown der Corona-Krise zusammen. Die Regierung spreche in diesem Zusammenhang von einer "erneuerten Normalität". Schönborn: "Es wird sich das öffentliche Leben schrittweise normalisieren, aber wird es auch gelingen, aus dieser Krise heraus auf einem für alle Menschen guten zukunftsträchtigen Weg zu gehen?" Die österreichischen Bischöfe würden deshalb in ihrem aktuellen Hirtenwort zum Pfingstfest von einer "geistvoll erneuerten Normalität" sprechen und ihren Entwurf einer "erneuerten Normalität" anhand der aktualisierten Begriffe der sieben Gaben des Heiligen Geistes entwickeln.
Dankbarkeit und Verbundenheit
Die erste Grundhaltung sei jene der Dankbarkeit. "Das ist nicht nur ein Thema der Religion, das ist ein Thema unserer zivilen Gesellschaft", so Schönborn: "Dankbarkeit gibt ein Gespür für das rechte Maß. Wir haben in der Corona-Krise erlebt, wie das Leben, das persönliche und das gesamte gesellschaftliche Leben, verletzlich ist. Deshalb plädieren wir für eine Spiritualität der Dankbarkeit."
Zum Neustart brauche es nun zweitens auch sehr viel Gespräch, "sehr viel Verbundenheit im Politischen, im Sozialen, im Gesellschaftlichen, auch über die nationalen Grenzen hinaus". Schönborn unterstrich in diesem Zusammenhang auch die Bedeutung der EU: "Wir merken alle, dass dieses einzigartige Friedens- und Zivilisationsprojekt der europäischen Integration notwendig ist, weil wir allein als einzelne Nationen die Schwierigkeiten nicht bewältigen können."
Solidarität statt Abschottung
Während des Corona-Lockdowns habe man erfahren können, "was für ein Privileg es ist, in einem funktionierenden Sozialstaat zu leben, in einem Land mit einem leistungsfähigen Gesundheitssystem. Und wie kostbar es ist, dass wir eine gute Zusammenarbeit zwischen Politik und Sozialpartnerschaft haben." Und gerade jetzt im Kampf gegen die stark gewachsene Arbeitslosigkeit, "wird der Geist der Solidarität entscheidend sein für den Neustart". Zu diesem Geist der Solidarität gehöre aber auch das Bemühen um Flüchtlinge, so Schönborn. Abschottung sei für Österreich kein Weg.
Für die systemrelevanten Berufe, die vor allem von Frauen geprägt sind, brauche es den "Geist der Wertschätzung", so der Kardinal weiter: "Es gilt, dankbar zu sein für das, was diese Menschen leisten, damit unsere Gesellschaft funktioniert." Das Gegenteil von Wertschätzung und Dankbarkeit sei "ein permanenter Ungeist der Empörung, der Verdächtigung, des Vernaderns".
Nachhaltige Lebensweise
Die fünfte Haltung der Achtsamkeit sei jene, die Papst Franziskus mit seiner Programmschrift "Laudato si" in den Mittelpunkt gestellt habe, wo es um eine nachhaltige Lebensweise geht. Schönborn bekräftigte die dringliche Sorge um eine intakte Umwelt: "Wir werden alles daransetzen müssen, gemeinsam eine finale Erschöpfung unseres Planeten Erde doch noch zu verhindern."
Deshalb sei es in diesem Geist der Achtsamkeit so wichtig, die Wirtschaft nicht nur wieder hochzufahren, sondern weiter zu entwickeln. Und zwar so, "dass der Mensch wirklich der Mittelpunkt ist und dass das unersättliche 'Immer-Mehr' nicht der Weg sein kann".
Sechstens plädierte Schönborn für den "Geist der Freude": "Kreative Lösungsansätze, die wir jetzt dringend brauchen, sind tragfähiger, wenn ein Geist der Freude unter uns herrscht. Die Freude bewahrt vor Verbitterung, aber auch vor Ungeduld."
Und schließlich brauche es den "Geist des Vertrauens": Es habe in der Krise bisher ein gegenseitiges Vertrauen von Bevölkerung und Regierung gegeben, "weil wir gewusst haben, dass wir diese krisenhafte Situation nur gemeinsam bewältigen können". Das Vertrauen sei die "Trotzdem-Kraft" zur Bewältigung krisenhafter Situationen. Nachsatz: "Und es liegen große Herausforderungen vor uns."
Sonntag und Sterbehilfe
Schönborn bekräftigte im Kathpress-Interview auch einmal mehr den Wert des freien Sonntags. Ohne gemeinsame freie Zeiten werde der Zusammenhalt der Gesellschaft sehr geschwächt. Zur immer wieder aufkommenden Debatte um aktive Sterbehilfe sagte er wörtlich: "Wir haben nach wie vor in Österreich einen Konsens aller Parlamentsparteien, dass der Weg den Österreich geht, der Weg der Palliative Care ist, also der Sterbebegleitung, aber nicht der aktiven Sterbehilfe." Das Wort von Kardinal Franz König sei nach wie vor maßgeblich: "Der Mensch muss an der Hand eines anderen Menschen sterben können und nicht durch die Hand eines anderen."
Quelle: Kathpress