Scheuer: Über bessere Rahmenbedingungen der Arbeit nachdenken
Die Corona-Pandemie und die abrupte Unterbrechung der Alltags- und Arbeitsroutine haben die zentrale Bedeutung der Erwerbsarbeit für die Menschen schlagartig in den Fokus gerückt. Darauf hat der Linzer Bischof Manfred Scheuer anlässlich des Tages der Arbeitslosen am 30. April und des Tages der Arbeit am 1. Mai hingewiesen. In den vergangenen Wochen sei zwar ein starker Zusammenhalt im Land spürbar gewesen, der österreichische Sozialstaat zeige in vielem seine Tragfähigkeit, dennoch betreffe der massive Anstieg der Arbeitslosigkeit weit mehr als eine Million Menschen in Österreich - Angehörige mitgezählt, so der Bischof. Scheuers Anregung:
Vielleicht ist gerade jetzt der richtige Zeitpunkt, um für menschenwürdige Rahmenbedingungen für die Zukunft der Arbeit einzutreten.
Der Linzer Bischof äußerte sich am Montag in einer gemeinsamen Presseaussendung mit Arbeiterkammer-Präsident Johann Kalliauer zum Tag der Arbeit (1. Mai) bzw. Tag der Arbeitslosen (30. April), die heuer die sonst zu diesen Anlässen veranstaltete Pressekonferenz ersetzt. Die Menschenwürde definiere sich nicht ausschließlich über Arbeit, betonte Scheuer.
Aber: Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung, das Einkommen aus Arbeit mit der daraus resultierenden sozialen Absicherung sind wesentliche Faktoren für ein erfülltes Leben.
Die Coronakrise sollte einen Anstoß geben, um sich Gedanken darüber zu machen, wie Arbeit gut und gerecht verteilt werden kann.
Manche, gerade jetzt als wichtig erfahrene Berufe seien eher bis sehr schlecht bezahlt, wies Scheuer hin. "Vielleicht ist gerade jetzt der richtige Zeitpunkt, um prekäre Arbeitsverhältnisse vor den Vorhang zu holen und zu beleuchten." Der geleisteten Arbeit in den "nicht im Scheinwerferlicht stehenden Wirtschaftsbereichen" sollte eine neue Wertschätzung entgegengebracht werden. Der Bischof erinnerte dazu an die von Papst Franziskus formulierte Hoffnung, "dass die gegenwärtige Gefahr den automatischen Gang der Dinge unterbricht, unser schlafendes Gewissen aufrüttelt und eine menschliche und ökologische Umkehr bewirkt, die (...) die Würde und das Leben ins Zentrum rückt."
"Kirche hat für Nöte ein offenes Ohr"
Die jetzt so massive Arbeitslosigkeit "bereitet mir, bereitet uns allen in der Kirche Sorge", versicherte Scheuer. Die Bischöfliche Arbeitslosenstiftung, Betriebsseelsorgezentren, Katholische Arbeitnehmerbewegung, Pfarrmitarbeiter und er selbst seien mit Notlagen und Härtefällen konfrontiert. "Wir wollen auf diesen Ebenen das Signal aussenden, dass sie mit diesen existenziellen Nöten nicht alleine gelassen sind, dass die Kirche dafür ein offenes Ohr hat und sie nach ihren Möglichkeiten Unterstützung anbietet", betonte der Bischof.
Er lobte das "Auffangnetz der Kurzarbeit", das Wirken der Sozialpartnerschaft und den im Oberösterreichischen Landtag parteiübergreifend gefassten Beschluss vom 20. April, dass niemand im Stich gelassen werde. Dennoch: "Manche fürchten, dass sich bald wieder Neid und Konkurrenzdenken einschleichen", so Scheuer. "Und es wird ja einiges auch als ungerecht erfahren. Wer trägt die Kosten und wer profitiert aus dieser Krise?" Hier seien nachhaltige Weichenstellungen zu mehr Fairness notwendig.
Kalliauer: Es ist Zeit für eine neue Solidarität
"Es ist Zeit für eine neue Solidarität", betonte AK-Präsident Kalliauer in der Erklärung von Arbeiterkammer und Kirche. Durch die pandemiebedingten Maßnahmen sei die Zahl der Arbeitslosen im März um 200.000 Personen "explodiert" - allein um 24.000 in Oberösterreich. "Wir brauchen dringend eine bessere existenzielle Absicherung der Menschen, die ihren Job verloren haben und Sondermaßnahmen für die besonders stark betroffene Gruppe der jungen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer", so Kalliauer. Sonst drohe "eine verlorene Generation".
Länder mit einem gut ausgebauten Sozialstaat meistern die Krise nach den Worten des Arbeiterkammer-Präsidenten besser als jene, "in denen der Sozialstaat kaputtgespart wurde". Auch wenn Österreich gut aufgestellt sei, bestehe Handlungsbedarf, "denn die Lasten des Covid-19-Lockdowns sind sehr ungerecht verteilt". Kalliauer forderte einen Ausbau der Solidarität im heimischen Sozialstaat - in Form von "armutsfestem" Arbeitslosengeld in einer Höhe von mindestens 75 Prozent des Letzteinkommens. Er verlangte auch eine Jobgarantie für ältere Arbeitsuchende nach dem Vorbild der Aktion 20.000 sowie eine deutliche Aufstockung der personellen und finanzielle Ressourcen des AMS.
Quelle: kathpress