"Virtuelle" Messen zeigen: Heilige Texte brauchen Erklärungen
Kirche und Theologie müssen sich der Frage widmen, "wie wir unsere heiligen Texte in eine Zeit übersetzen können, die in religiöser Hinsicht völlig anders 'tickt', d.h. denkt als zu biblischen Zeiten und auch noch vor einigen Jahrzehnten". Diese Notwendigkeit haben der Wiener Pastoraltheologin Regina Polak die von ihr zuletzt virtuell besuchten Liturgien zwischen Gründonnerstag und Ostersonntag bewusst gemacht, wie sie im Blog theocare.network mitteilt, der "Theologie im Zeichen von (Post)Corona" vermitteln soll. Für Polak sind diese zuletzt vielfrequentierten Übertragungen "eine missionarische Situation par excellence", zumal sich unter den Hunderttausenden "Hinzugeschalteten" auch viele Nicht-Kirchgänger, Agnostiker, Atheisten oder anders Religiöse befänden.
Mit Bibeltexten Unvertraute mit der Heiligen Schrift der Juden und der Christen bekannt zu machen ist derweil das Anliegen hinter dem "Crashkurs Altes Testament", den das Österreichische Katholische Bibelwerk beginnend mit Mittwoch, 15. April, in den Sozialen Medien anbietet.
Biblische Texte für heute erschließen
Dem oder der "idealen" Gläubigen seien die in der Osterzeit vorgelesenen Bibeltexte geläufig, doch dies sei in einer säkularisierten Gesellschaft keinesfalls mehr der Normalfall oder gar die Regel - auch nicht für viele Katholiken, wie Regina Polak im theocare-Blog anmerkte. Als Beispiele für "herausfordernde Textpassagen" nannte die Theologin die Ankündigung Gottes in der Gründonnerstag-Liturgie, er werde im Land Ägypten jede Erstgeburt bei Mensch und Vieh erschlagen (Ex 12,12), die am Karfreitag verwendete Forderung von "den Juden", Jesus müsse nach dem Gesetz Gottes sterben, weil er sich zu dessen Sohn machte (Joh 19,7) oder die in der Osternacht von Abraham verlangte Opferung Isaaks (Gen 22).
Zu diesen alttestamentlichen Lesungen gebe es in der Theologie längst Auslegungen, die helfen, diese für heute zu erschließen, erklärte Polak. In keinem der von ihr mitverfolgten virtuellen Gottesdienste habe es dazu einen erläuternden Kommentar gegeben. Viele der "Zaungäste" vor den Bildschirmen würden sich wohl fragen, warum sie an einen so gewalttätigen Gott glauben sollten. Für Polak stellt sich - wie sie schrieb - angesichts der Abraham-Versuchung die Frage: "Wie erzähle ich eine Begebenheit, für die man im richtigen Leben fünf Jahre Haft, eine Wegweisung und die Wegnahme des Kindes durch die Fürsorge bekommt, als frohe Botschaft zu Ostern?"
Der Abstand zwischen biblischem, liturgischem und zeitgenössischem Weltbild sei groß geworden. Die Pastoraltheologin plädierte deshalb in Fällen wie dem genannten für ein einführendes Wort bzw. eine Anmerkung in der Auslegung. Es müsse sichtbar werden, "dass man fähig ist, auch mit den Ohren anderer zu hören". Die Texte müssten deshalb weder weggelassen noch entschärft oder gar banalisiert werden. Dieser "sicherlich anspruchsvollen Aufgabe auszuweichen" birgt laut Polak die Gefahr, dass die Kirche vor allem jene bedient, "denen zu allen heiligen Zeiten ein Kulturchristentum genügt, die auf der Suche nach stimmungsvollen Ritualen oder ein paar tröstlichen Worten sind, sonst aber nicht viel weiter denken wollen oder können". Gebildete Zeitgenossen mit intellektuellem wie auch ethischen Anspruch an Religion "werden wir so nicht mehr gewinnen können", gab Polak zu bedenken. (Link: https://theocare.wordpress.com)
"Crashkurs" mit 46 Büchern in 46 Tagen
Eine niederschwellige Einführung in 46 Bücher und das 46 Tage lang bietet der am Mittwoch gestartete "Crashkurs Altes Testament". Bibelwerksdirektorin Elisabeth Birnbaum möchte Interessierten zwischen Ostern und Pfingsten das ganze Alte Testament nahe bringen. In jeweils rund fünfminütigen Videos erläutert sie die Bücher des Alten Testaments, beginnend mit dem Buch Genesis.
Zu sehen sind die Videos auf der Website www.bibelwerk.at, auf der Facebook-Seite und auf dem Youtube-Kanal des Österreichischen Katholischen Bibelwerks. (Link zum Youtube-Kanal https://bit.ly/2XAE2ZW)
Quelle: kathpress