Schönborn: Geist des Stephansdoms-Wiederaufbaus auch heute nötig
Dienst, Mitgefühl und Bereitschaft zum Einsatz für andere sind "Lebenshaltungen Jesu", die vor 75 Jahren den Wiederaufbau des abgebrannten Wiener Stephansdoms ermöglichten und auch zur Bewältigung der Corona-Krise nötig sind: Darauf hat Kardinal Christoph Schönborn in seiner Predigt zum Ostersonntag in der fast leeren Kathedrale der Bundeshauptstadt hingewiesen. Das Osterhochamt fand aufgrund der Pandemie-Schutzvorgaben nur mit einer Minimalbesetzung für die Zelebration, Musik und liturgische Gestaltung statt; sie wurde von ORF III live übertragen.
Genau am 12. April 1945 hatte der "Steffl" gegen 11 Uhr zu brennen begonnen, als Funken von benachbarten Häusern, die durch Plünderer in Brand gesteckt worden waren, auf den Dachstuhl der Kirche übersprangen. Der hölzerne Dach stürzte in dem verheerenden dreitägigen Brand komplett ein und das mittelalterliche Chorgestühl, die Riesenorgel und auch Österreichs größte Glocke, die Pummerin, wurden zerstört. "Der Dom weinte, und die Menschen weinten", so Schönborn über die Szenen vor 75 Jahren.
Dennoch habe die Kathedrale wie auch ganz Österreich "eine Auferstehung erlebt", erinnerte der Kardinal. Sein Vorgänger der damaligen Zeit, Erzbischof Theodor Innitzer, habe damals im Arbeitsgewand die Trauernden getröstet "und zugleich ganz nüchtern gesagt: 'Na, wir werden ihn halt wieder aufbauen müssen.'" Das sei auch gelungen, betonte Schönborn. "Die österreichische Bevölkerung hat in einem unglaublichen Zusammenstehen den Dom wiederaufgebaut. Heute steht er wieder in seiner vollen Schönheit da und ist das meistbesuchte Bauwerk Österreichs."
Obwohl dieses Jahr der Ostersonntag nicht festlich wie sonst stattfinde und auch die geplante Einweihung der erneuerten Riesenorgel noch nicht stattfinden könne, sei er "voller Zuversicht", betonte der Erzbischof. Schon die Feier der Karwoche sei, trotz der erschwerten Umstände, "sehr innig gewesen", und viele Menschen hätten an den Bildschirmen dank der Fernseh- und Internet-Übertragungen mitgefeiert. Schönborn verwies dabei auf die vielen an den Kirchenbänken befestigten Bilder, die Menschen im Vorfeld zum Gottesdienst geschickt hatten.
Eine Menschheitsfamilie
Das Coronavirus mache keinen Unterschied zwischen Personen und Ländern, unterstrich der Kardinal. "Wir sind alle betroffen. Wir spüren deutlich: Wir sind eine Menschheitsfamilie." Noch stärker als zuvor die Klimakrise werde die Menschheit an das gegenseitige Angewiesensein erinnert - welches "auch nach der Corona-Zeit" unbedingt nötig sein werde.
Gründe für Hoffnung sehe es auch zu Ostern 2020 gleich mehrere, sagte der Vorsitzende der österreichischen Bischofskonferenz. Einerseits - "es wird sie überraschen" - seien dies die "guten Institutionen in unserem Land", befand Schönborn. Das Gesundheitssystem, der Rechts- und Sozialstaat, die solide Wirtschaft wie auch die Kirchen und Religionsgemeinschaften würden sich in der derzeitigen Krise bewähren. Mit Ostern habe dies insofern zu tun, "dass wir dabei Gemeinsames über die Einzelinteressen stellen", sagte Schönborn. "Wir spüren jetzt, dass die Weltanschauung des Egoismus nicht hält."
Auferstandener als Vorbild
Die Kraft für die Bewährung in der Krise schöpften die Institutionen durchaus aus den von Jesus aufgezeigten Grundhaltungen, erklärte der Wiener Erzbischof. Ebenso wie sich Jesus bei der Fußwaschung des Letzten Abendmahls zum "Sklaven" gemacht habe, seien sich auch heute viele Menschen nicht zu gut, um anderen zu "dienen, damit es ihnen gut geht".
Eine weitere Grundhaltung, nämlich das Mitgefühl und die Sorge um andere - der Auferstandene habe sich ja zuerst an die weinenden Frauen gewandt-, werde derzeit ebenso deutlich sichtbar: "Auch unser Umgang mit dem Coronavirus hat das Mitgefühl als Grundlage, um Menschen zu schützen und sie nicht zu gefährden", erinnerte Schönborn. In gleicher Weise inspiriere heute auch die Bereitschaft Jesu, das eigene Leben für die anderen einzusetzen.
Quelle: kathpress