"Retter des Stephansdoms" sagte Nein zum Vernichtungsbefehl
Als Vergeltung für das Hissen einer weißen Fahne auf dem Stephansdom ist der Dom mit einem Feuerschlag von 100 Granaten in Schutt und Asche zu legen, sollte das nicht ausreichen, ist bis zu seiner Zerstörung weiterzuschießen!
So lautete am 10. April 1945 der wahnwitzige Befehl des Kommandanten einer SS-Artillerieabteilung im schon verlorenen Kampf um Wien gegen die sowjetische Rote Armee. Der Befehl sollte den Stephansdom 605 Jahre nach seiner Einweihung am 23. April 1340 dem Erdboden gleichmachen. Der aus Celle bei Hannover stammende deutsche Wehrmachtshauptmann Gerhard Klinkicht las die schriftlich übermittelte Anordnung seinen Soldaten vor und zerriss den Zettel vor aller Augen mit den Worten: "Nein, dieser Befehl wird nicht ausgeführt!"
Der Wehrmachtsoffizier erwarb sich mit dieser couragierten Weigerung den Ehrentitel "Retter des Stephansdoms". Bei der feierlichen Eröffnung des wieder aufgebauten Doms im April 1952 versicherte Kardinal Theodor Innitzer dem dazu eingeladenen Klinkicht: "Ihr Name ist in den Annalen der Stephanskirche ehrenvoll verzeichnet ... Gott segne Sie immerdar für Ihre mutige, edle Tat!"
Zur Vorgeschichte: In den frühen Morgenstunden des 10. April 1945 besetzte die Vorhut der russischen Truppen kampflos die Innere Stadt. Die deutschen Truppen hatten sich in der Nacht davor vollständig in den zweiten Bezirk zurückgezogen, um den Donaukanal als Schutz vor den Russen zu nützen. Als Signal für die heranrückende russische Hauptarmee, dass die Innenstadt bereits befreit ist, hissten Unbekannte die weiße Fahne an der Südseite des hohen Turms in ca. 120 Meter Höhe.
Für den Befehlshaber einer in Wien-Floridsdorf stationierten SS-Artillerieabteilung war das weiße Tuch ein rotes: Er übermittelte Hauptmann Klinkicht, der das Kommando über die Flakgruppe Groß-Jedlersdorf innehatte, besagten Zerstörungsbefehl. Dieser wusste, dass angesichts der großteils russisch besetzten Stadt ein solcher Akt purer Wahnwitz gewesen wäre, zudem hatte Klinkicht den Stephansdom bereits als junger Pfadfinder bei einem Wienbesuch 15 Jahre davor bewundert.
Wien sollte nicht Dresden werden
Was in ihm beim Einlangen der Order vorging, schilderte die Wiener Kirchenhistorikerin Annemarie Fenzl gegenüber Kathpress: "Dies ist ein Augenblick im Leben eines Offiziers, wo er vor die Entscheidung gestellt wird, ob er einen solchen Befehl ausführen oder seine Durchführung verweigern soll", heißt es in Klinkichts Rückblick. Er erachtete den Befehl als "verbrecherisch", denn:
Was wir zuvor unseren Feinden vorgeworfen hatten, in verbrecherischer Weise unsere Kulturdenkmäler durch Bombardements aus der Luft zu zerstören - siehe Dresden im Februar 1945 -, das sollte ich nun an einem der erhabensten Kulturdenkmäler des Abendlandes ... vollbringen?
Klinkicht informierte seine Batteriechefs umgehend von seiner entschiedenen Verweigerung. Und fügte sogar die Weisung hinzu: "Sollte hinter meinem Rücken die SS sich an einen der Chefs wenden und von diesem die Durchführung der Zerstörung des Doms verlangen, so ist dies abzulehnen und notfalls mit Waffengewalt zu verhindern - auf meine Verantwortung!"
Quelle: kathpress