Vatikan steht vor einem ungewöhnlichen Osterfest
Das Coronavirus stellt das Zentrum der katholischen Welt vor eine nie dagewesene Situation. Ostern wird in Rom ohne Versammlungen stattfinden. Dass anders als in anderen Jahren Zehntausende Pilger ausbleiben, schlägt nicht nur auf die Wirtschaft und das Lebensgefühl. Die Kirche hat auch ein Problem mit ihrer Kernbotschaft. Denn es schaut aus, als hätte bei dem Fest, bei dem es um den Sieg des Lebens geht, die Angst vor dem Tod das letzte Wort.
Das höchste Fest der Christenheit ohne öffentliche Messe mit dem Papst: Das gab es nicht seit Ende der Christenverfolgung in der Antike. Entsprechend schwer tat sich der Vatikan mit dem Entschluss. Inzwischen legte die zuständige römische Behörde entsprechenden Maßgaben für alle Diözesen weltweit vor. Demnach zelebrieren Bischöfe und Priester die Gottesdienste der Kar- und Ostertage zwar im Geist verbunden mit den Gläubigen, aber räumlich getrennt.
In Österreich sollen Pfarrer jeweils vier Gläubige bitten, mit ihnen die Osterwoche liturgisch zu begehen. Sie sollen als kleine Gemeinschaft die große repräsentieren, die wegen des Versammlungsverbotes nicht in die Kirche kommen kann, aber unter Nutzung von Medien und Internet bzw. als "Hauskirche" daheim mitfeiert.
Was die Gottesdienste der Kar- und Ostertage mit Papst Franziskus angeht, suchte man laut vatikanischem Presseamt noch "Modalitäten der Durchführung und Teilnahme, die die Sicherheitsmaßnahmen zur Verhinderung einer Verbreitung des Coronavirus respektieren". Dem Stand der Dinge nach dürfte der Vatikan die Mitfeier aber mehr oder weniger komplett ins Internet und Fernsehen verlegen.
Palmprozession im Petersdom?
Davon betroffen ist zuerst der Palmsonntag, Auftakt der Karwoche am 5. April. Üblicherweise stellen dann Kardinäle, andere Kleriker und Laien mit Palmzweigen in den Händen auf dem Petersplatz den Einzug Jesu in Jerusalem nach. Jetzt ist zu erwarten, dass dieses szenische Element - wenn überhaupt - in sehr reduzierter Form erfolgt und ebenso wie die Messe in die Petersbasilika verlegt wird.
Am Morgen des Gründonnerstags weiht der Papst in der sogenannten Chrisam-Messe Öle, die für Weihehandlungen benötigt werden. Dazu versammeln sich traditionell die Kleriker der Diözese Rom um ihren Hirten - dieses Jahr wohl nur virtuell.
Unklar ist, in welcher Form das Gedenken an Jesu letztes Abendmahl am Gründonnerstagabend stattfindet. Franziskus pflegte diesen Gottesdienst mit dem Ritual der Fußwaschung im geschützten Raum einer Haftanstalt oder eines Behindertenheims zu feiern. Ob dies unter den Schutzaspekten aktuell vertretbar ist, steht dahin.
Kolosseum-Kreuzweg in Schwebe
Die päpstliche Feier vom Leiden und Sterben Christi an Karfreitag dürfte durch die Umstände von besonderem Ernst geprägt sein. Die Gottesdienstkongregation wies die Bischöfe weltweit an, zu diesem Anlass auch der Corona-Betroffenen zu gedenken. Der Bischof von Rom wird es sicher ebenso halten.
Zu den stimmungsvollsten Momenten der römischen Karwoche zählte stets die Kreuzwegandacht am Karfreitagabend am Kolosseum, wenn Zehntausende im Schein von Kerzen den Leidensweg Jesu betend nachgingen. Ob die Veranstaltung in einen Innenraum verlegt und wenigstens als Livestream verbreitet wird, ist noch nicht bekannt.
Osternachtfeier und "Urbi et orbi"
Eine Herausforderung für die päpstlichen Liturgen wird die Osternachtfeier am Samstag. Sie markiert den Höhepunkt des Kirchenjahrs und lebt an sich von kollektiven Riten wie der Weitergabe des Osterlichts, der Austeilung von Weihwasser und der Aufnahme erwachsener Taufbewerber in die Gemeinde. Auch hier hat die Gottesdienstkongregation bereits entschlossene Kürzungen angemahnt.
Anziehungspunkt für Pilger aus aller Welt war seit jeher die Messe zu Ostersonntag auf dem Petersplatz. Der anschließende Segen "Urbi et orbi" stand in den vergangenen Jahren bei rund 160 Fernsehanstalten auf dem Sendeplan. Der Papst nutzte diesen Anlass jeweils, um auf Konflikte rund um den Globus hinzuweisen. Aber es liegt auf der Hand, dass die Loggia des Petersdoms diesmal kein guter Ort ist. Das Oberhaupt von 1,3 Milliarden Katholiken über einer entvölkerten Piazza: Das geht nicht.
Ohnehin wird der Schmuck der niederländischen Blumenzüchter fehlen, der die Ostermesse seit Jahrzehnten zu einem Fest für die Augen machte. Die Floristen sagten Anfang März ab - nach Beratungen mit allen Beteiligten, wie es hieß. Franziskus appellierte vor Wochen an die Kreativität der Geistlichen in Norditalien, um die Menschen ihre Nähe spüren zu lassen. Fantasie braucht der Vatikan jetzt auch.
Quelle: kathpress