Papst setzt beispiellose Geste für Opfer der Pandemie
Papst Franziskus will am Freitagabend eine ganz besondere Antwort auf die Corona-Pandemie geben: Vor dem Petersdom wird er eine Andacht halten und von den Stufen der vatikanischen Basilika herab den Sondersegen "Urbi et orbi" spenden. "Wir werden das Wort Gottes hören, unser Bittgebet erheben, das Allerheiligste verehren, mit dem ich zum Abschluss den Segen Urbi et orbi erteile", kündigte Franziskus an. Damit verbunden ist die Möglichkeit eines Ablasses.
Es ist eine in der Kirchengeschichte einzigartige Handlung und ein heikler Moment für den Vatikan. Denn die ungewöhnliche Zeremonie auf dem leeren Petersplatz, die auch im österreichischen Fernsehen (ORF III, ab 18 Uhr) live übertragen wird, braucht für viele Menschen Erklärung. Schließlich kann die Botschaft der Bilder des Papstes gegensätzlicher kaum ausfallen: als einsamer, verzweifelter Beschwörungsgestus oder, wie gedacht, als besondere Standhaftigkeit gegen Angst und Tod.
Der Segen Urbi et orbi, "der Stadt und dem Erdkreis", wird sonst nur zu Ostern und Weihnachten gespendet, außerdem unmittelbar nach einer Papstwahl. Auf feierliche Weise ruft er Petrus und Paulus als Fürsprecher an - und mit ihnen eine zweitausendjährige Tradition von Glauben und Hoffen. "Urbi et orbi" ist damit quasi "der Segen aller katholischen Segen".
Im Mittelpunkt der eucharistischen Anbetung steht dann die Hostie, die in der Eucharistiefeier gewandelt wurde und zwar weiter wie Brot aussieht, aber nach katholischer Lehre der Leib Christi ist. Ob als Kommunion gereicht oder in der Monstranz gezeigt: Sie stellt das Kostbarste dar, was die Kirche besitzt. Nur so erklärt sich, dass etwa der Kaplan der Pariser Feuerwehr in die brennende Kathedrale Notre-Dame ging, um den Kelch mit den Hostien zu bergen.
Die stärksten Mittel des Papstes Das Allerheiligste und der Apostolische Segen - stärkere Mittel hat kein Papst. Dabei geht es nicht um magische Gefahrenabwehr. Theologisch bedeuten Sakrament und Segen die Zusage an einen Menschen, dass er heil und glücklich leben soll, allen äußeren Umständen zum Trotz.
Aus diesem Grund erweiterte der Papst auch die Bedingungen für den Empfang des Bußsakraments. Die Versöhnung eines Gläubigen mit Gott - und zugleich mit seinem Gewissen und der Kirche - soll im Corona-Notstand auch ohne Einzelbeichte möglich sein. Nach einem Vatikan-Dekret vom 19. März genügt im Extremfall schon der aufrichtige Wunsch des reuigen Sünders nach Aussöhnung mit Gott. Alternativ können Priester, etwa in Krankenhäusern, den vom Tode Bedrohten kollektiv die Generalabsolution erteilen.
Besondere Sorge um Sterbende
Bei Sterbenden lässt die Kirche besondere Sorge walten. Nach Möglichkeit soll jeder Mensch die Welt in Frieden verlassen dürfen. Deshalb gehört zu den katholischen Abschiedsriten neben der sakramentalen Versöhnung, einer stärkenden Salbung und der Kommunion auch der Ablass, also die Tilgung jener irdischen und jenseitigen Konsequenzen, die man durch seine Sünden verursacht hat.
Die Idee des Ablasses ruht auf der Annahme, dass der Schatz des Guten, den das Wirken Jesu und aller Gläubigen angesammelt hat, die Folgen jeder bösen Tat eines Menschen aufwiegt. Das Konzept ist auch innerkirchlich umstritten und in vielen Ländern außer Gebrauch gekommen; aber im Grunde ist der Ablass ein Zeichen der Solidarität aller mit dem Einzelnen.
Der Ablass in der Sterbestunde ist an Formen gebunden, die sich in Isolierstationen nicht einhalten lassen. Viele Corona-Patienten werden ohne geistliche Begleitung sterben. Deshalb hat der Vatikan die Ablassbedingungen für die Kranken bereits denkbar weit heruntergesetzt.
Petersplatz nur scheinbar leer
Offenbar wollte Franziskus es aber nicht dabei bewenden lassen. Als Jesuit mit Sinn für das Sinnenhafte sucht er das fassbare Zeichen, Monstranz und Segen. Hier kommt der mit dem "Urbi et orbi" verbundene Ablass ins Spiel. Der Papst macht die Versöhnung, die viele Priester unter diesen Umständen nicht geben können, zur Chefsache. Für alle, die die Kirche als Mittlerin zwischen Gott und Mensch begreifen, eine großartige Geste.
Am Freitagabend, bei Sonnenuntergang, wird der Papst so im Schatten des Petersdoms vor dem Allerheiligsten beten; ein Erinnern an das Leiden und Sterben Jesu, zugleich eine Vergewisserung der realen Gegenwart dessen, der die Tiefe des Todes ausgelotet und seine Macht gebrochen hat. Der Segen mit dem Sakrament ist ein Zuspruch für die Todkranken, dass sie ohne Angst vor alter Schuld vor ihren Schöpfer treten dürfen.
Der Petersplatz wird menschenleer sein. Die weltlich-nüchterne Begründung wird lauten, dass Versammlungen derzeit untersagt sind. In den Augen des Papstes, der einsam segnend auf den Stufen steht, sind die Plätze nur freigehalten für die Kranken und Sterbenden.
Quelle: kathpress