Bischof Schwarz: "Manche haben das Gebet wiederentdeckt"
Auch wenn Menschen die Gottesdienste im Moment nicht besuchen können, "manche haben das Gebet in ihrer Familie wiederentdeckt, andere beten allein und verbinden sich so mit der großen Gemeinschaft der Gläubigen". - Das hat der St. Pöltner Bischof Alois Schwarz in einem Interview mit den "Niederösterreichischen Nachrichten" (NÖN) am Dienstag betont. Pfarren zeigten sich als lebendige Netzwerke, es entstünden Nachbarschaftshilfe, es werde aufeinander geschaut, es gebe viel Engagement. Nur gemeinsam lasse sich diese Zeit gestalten, "es braucht große und kleine Gesten der Nächstenliebe und Solidarität", so Schwarz:
Wir müssen den Helferinnen und Helfern, den 'Systemerhaltern' danken. Wir dürfen aber auch die Not nicht übersehen.
In seiner Funktion als Wirtschaftsbischof sieht er es als seine Pflicht, die nächsten Monate, Entwicklungen und Veränderungen im Blick zu haben, zu kommentieren, zu hinterfragen. "In diesen Tagen entstehen neue Lebensmuster und neue Arbeitsfelder. Wie sozial sind unsere Wirtschaftssysteme? Werden wir ein neues Miteinander lernen? Wird der Glaube an Gott und seine heilende Zuwendung neu entdeckt? Ich traue mir hier keine Prognose zu. Klar ist: Wir werden als Kirche immer die Stimme für Menschen in Not erheben."
Zur Frage, wie sich das geistliche Leben in den Pfarren verändert habe, sagte Schwarz: "In unseren Kirchen wird weiter gebetet und auch Hl. Messe gefeiert." Die Priester, die in dieser Zeit die Messe allein feiern, handelten stellvertretend für alle, die nicht an der Eucharistiefeier teilnehmen können. Die Messfeier ohne liturgischen Dienst oder wenigstens einen Gläubigen entspreche zwar nicht dem Ideal der gemeinschaftlichen Feier, sie sei aber ausdrücklich "aus einem gerechten und vernünftigen Grund" erlaubt. Schwarz: "Die Priester gehen diesen Dienst für ihre Gemeinde mit mir, wofür ich sehr dankbar bin."
Persönlich vermisse er in der jetzigen Situation viele Begegnungen, so Schwarz: "Ich möchte aber nicht klagen, denn ich sehe wie erfinderisch die neuen Medien genutzt werden für Gespräche, besinnliche Texte, Fotos vom Frühling und Zusagen von Gebeten." Er danke auch allen, die ihm ihre Anliegen zum Beten mitgeben:
Meine Aufgabe sehe ich jetzt im Dasein für die Menschen im Gebet, in der Feier der Hl. Messe für alle und in den telefonischen Kontakten. Auch über die sozialen Medien finden viele Menschen den Kontakt zu mir.
"Rettungsleine der Nächstenliebe"
Das Dasein füreinander in den sozialen, gelebten Netzwerken der Pfarren habe sich nun als "starke Rettungsleine der Nächstenliebe" erwiesen. Kirche und Pfarre würden zudem die digitale Welt als Weg der Seelsorge und des Miteinander erfahren. Der viel besprochenen "Hass im Netz" scheine "beim riesigen Angebot christlicher, mitmenschlicher, einander zugewendeter Perspektiven plötzlich in Relation ganz klein".
Die Coronakrise zeige auch die Schwachstellen der Weltordnung und die Verletzbarkeit des ökonomischen Systems auf. Schwarz: "Selbstverständlichkeiten zerbröseln uns gerade zwischen den Fingern. In den sozialen Medien trifft man auf die Sehnsucht nach einem neuen Miteinander." Die Welt werde jetzt von allen als ein "gemeinsames Haus" erlebt, so der Bischof: "Nun gilt es, diesen Weg gemeinsam zu gehen und auf alle und unser Gemeinwohl zu achten.
Der christliche Glaube biete hier viel spirituelle, ethische und auch politische Orientierungshilfe. Zuversicht entstehe dort, "wo ich eine Veränderung wünsche und daran glaube, dass meine Mitmenschen und ich dazu in der Lage sind", betonte der Bischof. Es brauche eine neue Lebensorientierung, eine lernfähige Veränderungsoffensive. Da habe das Christentum ein großes Hoffnungspotenzial. Die Politik werde darin gefordert sein, für entsprechende Rahmenbedingungen zu Sorgen.
Quelle: kathpress