"Geistermessen"-Debatte: Wiener Kirchenrechtler kontert Kritikern
In die Debatte über "Geistermessen" in der katholischen Kirche hat sich nun auch der Wiener Kirchen- und Religionsrechtler Prof. Andreas Kowatsch eingeschaltet - und jenen den Rücken gestärkt, die sich mit Streaming-Gottesdiensten laut Kowatsch redlich darum bemühen, in der aktuellen Corona-Krise das gottesdienstliche Leben nicht vollends zum Erliegen kommen zu lassen. Die vielerorts angebotenen und zuletzt vermehrt in theologische Kritik geratenen Livestreams von Gottesdiensten seien "ein Zeugnis dafür, dass auch und vor allem in der Krise die Seelsorge im Mittelpunkt aller kirchlichen Anstrengungen steht", so Kowatsch in einer Stellungnahme gegenüber Kathpress. Die Kritik daran und auch die Wortwahl "Geistermessen" erachte er als "wenig hilfreiche Form von Gesetzesgläubigkeit".
Angestoßen wurde die Debatte durch einen Gastbeitrag der deutschen Liturgiewissenschaftler Albert Gerhards (Bonn), Benedikt Kranemann (Erfurt) und Stephan Winter (Osnabrück/Münster) auf dem Portal katholisch.de. Darin übten die Theologen Kritik, dass die "Geistermessen" nicht dem heutigen Verständnis von Liturgie entsprechen würden. Zumindest vorsichtige Bedenken an dieser Entwicklung hatten zuvor bereits der Wiener Dogmatiker Jan-Heiner Tück und der Innsbrucker Dogmatiker Jozef Niewiadomski in Kathpress-Interviews geäußert.
Kowatsch hält dagegen fest, dass nach katholischem Verständnis eine Eucharistiefeier per se keine private Feier darstellen könne, sondern "eine Handlung Christi selbst und der Kirche" - also der ganzen Kirche. Insofern bleibe die Idealgestalt einer Messe gewiss, dass so viele Gläubige wie möglich sich aktiv daran beteiligten; allerdings kenne das kirchliche Recht auch die Möglichkeit, dass ein Priester ohne aktive Beteiligung des Volkes Gottes die Messe feiert. Das Kirchenrecht sehe dann die Beteiligung wenigstens eines Gläubigen vor, wenn keine gerechten Gründe dies verunmöglichen.
Daraus folge, dass eine Messe auch unter Beteiligung von nur wenigen Gläubigen keinesfalls als "Geistermesse" zu bezeichnen sei, da dies das umfassende kirchliche Verständnis von Eucharistiefeiern unterlaufe: "Die allein durch einen Priester gefeierte Eucharistie wird niemals das Ideal sein. Das war sie gewiss auch in der Liturgiegeschichte nie gewesen. Allerdings ist auch die allein durch den Priester gefeierte Eucharistie eine Feier Christi und der ganzen Kirche. Sie geschieht in Gemeinschaft mit der konkreten Ortskirche und ihrem Bischof ebenso wie mit der Universalkirche mit dem Papst als Hirten", erklärt Kowatsch.
Weitere Kritik an den Kritikern
Kritik an Gerhards, Kranemann und Winter kommt auch vom Freiburger Theologen Helmut Hoping: Auffällig sei die Aversion der Autoren gegen Messfeiern, die Priester für andere angesichts der Corona-Pandemie feierten, schrieb Hoping am Donnerstag auf "katholisch.de": "Am Ende läuft ihr Vorschlag darauf hinaus, alle Messfeiern einzustellen und sich als Volk Gottes im Gebet und Hören auf Gottes Wort miteinander zu verbinden." Hoping kritisierte: "Für eine Kirche, die ihr Lebenszentrum in der Feier der Eucharistie besitzt, ist dies ein zutiefst irritierender Vorschlag, da er an der Identität der katholischen Kirche rührt."
Quelle: kathpress