Coronakrise könnte mehr Verständnis für Flüchtlinge schaffen
Für den 2015 aus Syrien nach Österreich geflohenen Flüchtling Jad Turjman birgt die aktuelle Krisensituation auch das Potenzial einer Verbesserung für seinesgleichen. Er hofft, dass die Krise dazu beiträgt, mehr Verständnis für die Situation von Heimatvertriebenen zu schaffen. Es könnte nachvollziehbar werden, dass der Überlebensinstinkt in lebensbedrohlichen Situationen dazu führt, eine Überquerung des Mittelmeeres mit dem Schlauchboot auf sich zu nehmen, schrieb der junge Syrer in einem aktuellen Blog der Katholischen Sozialakademie Österreichs (ksoe).
Die Krise ermutige auch zur Reflexion des eigenen Verhaltens und sei Anstoß, "einmal innezuhalten und über uns und unseren Lebensstil nachzudenken. Besonders für diejenigen, die kein Verständnis für Geflüchtete aufbringen konnten und jetzt ihre Speisekammer mit Unnötigem und Klopapier für ein Jahr vollgestopft haben", so Turjman.
Die Situation zeige freilich auch die Doppelmoral in der Politik auf:
Wenn die Gefahr uns selbst betrifft, dann können wir Schulen schließen, Systeme herunterfahren und unseren Alltag stoppen. Aber wenn Menschen an unseren Grenzen ertrinken, erfrieren und menschenunwürdig behandelt werden, dann können wir sie ihrem Schicksal überlassen und wegschauen. Vielleicht ist es eine Lektion gegen jede Überheblichkeit, wenn alles vorbei ist.
Er sehe in der Corona-Krise insofern eine Lektion, als sie alle betreffe "und uns auf schräge Art und Weise eint". Länder, die sich gestern noch bekriegten, würden nun im gleichen Boot sitzen. Politiker, die gestern noch schlecht miteinander umgingen, arbeiteten jetzt zusammen. Das Coronavirus lehre auch etwas über Rassismus, meinte der in Salzburg lebende Flüchtling: "Es ist nicht rassistisch. Es macht keinen Unterschied zwischen Muslim und Christ, schwarz oder weiß, links oder rechts."
Solidaritätswelle macht Mut
Turjam erhofft sich von der Krise eine nachhaltige Entwicklung von mehr Zusammenhalt und Solidarität in der Gesellschaft. Es gebe bereits eine Solidaritätswelle, "Menschen helfen sich gegenseitig, achten aufeinander, machen sich Mut". Seine Hoffnung sei groß, "dass wir uns dann auch jenen Menschen gegenüber solidarisch verhalten, die schon seit Jahren um Hilfe bitten." Krisen und harte Schicksalsschläge führten dazu, "dass man größer als in seinen gewöhnlichen Kreisen denkt".
Von seinen Fluchterfahrungen berichtete Turjam 2019 im Buch "Wenn der Jasmin auswandert. Die Geschichte meiner Flucht". Er schrieb das im Residenz-Verlag erschienene Buch auf Deutsch, Karim El-Gawhary steuerte das Vorwort bei. (Link: https://blog.ksoe.at)
Quelle: kathpress