Telefonseelsorge durch Corona-Pandemie gefordert wie nie zuvor
In diesen Tagen, wo die physischen sozialen Kontakte auf ein Minimum zurückgefahren werden müssen, ist die Telefonseelsorge gefordert wie nie zuvor. "Die Themen am Telefon drehen sich mittlerweile zu 90 Prozent um die Pandemie", berichtete Silvia Breitwieser, Leiterin der Telefonseelsorge Oberösterreich, in einer Aussendung der Diözese Linz:
Es geht um die Angst vor Einsamkeit und Isolation, um die Sorge um Angehörige, um Ängste um die eigene Gesundheit bei einer bereits bestehenden Grunderkrankung, um Existenzängste sowie um die Unsicherheit bezüglich der Abhaltung geplanter Familienfeste.
Seit einigen Tagen würden sich vermehrt Menschen melden, "die Angst haben, am Virus erkrankt zu sein, und Anrufende, die wichtige Termine wie beispielsweise Therapien bei Alkoholentzug nicht wahrnehmen können und bei der Telefonseelsorge Überbrückung suchen". Covid-19 wirke sich natürlich auch auf die psychosoziale Landschaft aus. Mittlerweile hätten diverse Therapie-, Beratungs- und Seelsorgeeinrichtungen ihre Türen schließen müssen. Deren Klienten seien aber auch weiterhin auf Beratung, Begleitung und Unterstützung angewiesen - "gerade jetzt", so Breitwieser.
Das Coronavirus begegne als "unvertraute Bedrohung, die wir nicht sehen, nicht riechen und nicht schmecken können". Das könne zu Ohnmachtsgefühlen führen. Die irrationalen Hamsterkäufe seien beispielsweise ein Versuch, die eigene Wirkmacht aufrechtzuerhalten und sich zu beweisen, dass man handlungsfähig bleibt.
Fokus nicht nur auf Virus richten
Manche Menschen würden derzeit viel Zeit damit verbringen, auf die neuesten Nachrichten zu lauern und ständig die Infektionsstatistiken zu checken. Je mehr Zeit aber mit Covid-19 verbracht wird, desto präsenter sei es in den Gedanken. Daher sei es wichtig, sich auch Auszeiten zu nehmen und mit jemandem bewusst über andere Themen zu sprechen. Denn es brauche auch Zeiten, "in denen man von Sorgen abgelenkt wird, um sich zu beruhigen".
Ständiger Stress durch Ängste könne sich negativ auf das eigene Immunsystem auswirken, warnte Breitwieser. Und in eine Angststarre zu verfallen, helfe nicht weiter. Besser sei es, die eigenen Ängste zu bearbeiten, indem man sie mit jemanden teile und gemeinsam herausfinde, wie man konkret tätig werden könne. Breitwieser: "Das stärkt die Selbstwirksamkeit. Energie wird der Angst entzogen und dem Handeln zugeführt, die Angst reduziert sich."
Wichtig sei nun, trotz allem einen funktionsfähigen Alltag aufrechtzuerhalten. Doch den meisten Menschen falle es schwer, alleine mit sich zu sein, so Breitwieser: "Das Gefühl der Einsamkeit ist niemandem unbekannt, von Zeit zu Zeit überkommt es wohl jeden. Ein kurzfristiger selbst gewählter sozialer Rückzug kann wohltuend sein, langfristige und verordnete Isolation macht krank." Deshalb brauche es auch jetzt fixe Programmpunkte, so Breitwieser: "Aufgaben, denen wir uns stellen und Dinge, die wir abarbeiten können. Günstig wäre es, die ganz 'banalen' Dinge des Alltags wiederzuentdecken: kochen, basteln, malen, gärtnern, lesen, schreiben oder spazieren gehen." Essenziell seien auch soziale Kontakte, die auf unterschiedliche Weise - über Telefon, E-Mail, Chat - gepflegt werden können.
Die Telefonseelsorge bietet demgemäß rund um die Uhr ein Beratungsangebot per Telefon, Mail oder Chat an. Gerade die Nachfrage nach Onlineberatung werde in den nächsten Wochen steigen, so die Expertin. Der Sofortchat der Telefonseelsorge wird als Unterstützung für die Menschen in dieser Krisensituation deshalb ab sofort täglich von 18 bis 20 Uhr geöffnet sein. Das Angebot ist aus ganz Österreich unter der Notrufnummer 142 rund um die Uhr kostenlos, anonym und vom eigenen Wohnzimmer aus erreichbar. (Info: www.telefonseelsorge.at)
Quelle: kathpress